Art. 70 Abs. 3 bestimmt, dass beglaubigte Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses nur sechs Monate gültig sind. In der beglaubigten Abschrift ist jeweils ein Ablaufdatum anzugeben. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann die Ausstellungsbehörde eine längere Gültigkeitsfrist beschließen.
Das Verfallsdatum dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Sollte sich ein Zeugnis als unrichtig erweisen, wird der Schaden, der durch im Umlauf befindliche beglaubigte Abschriften des Zeugnisses verursacht werden kann, insoweit begrenzt, als die beglaubigten Abschriften ihre Wirkung mit Fristablauf verlieren und so einem falschen Rechtsschein vorgebeugt wird. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob eine beglaubigte Abschrift eines unrichtigen Zeugnisses vor Fristablauf noch Wirkung hat; dies dürfte nicht mehr der Fall sein, sobald die Wirkungen des Zeugnisses gem. Art. 73 ausgesetzt worden sind.
In der Rechtspraxis dürfte die vorgeschriebene Ablauffrist der beglaubigten Abschriften von sechs Monaten in zahlreichen Fällen unangemessen kurz sein. Bei einer Dauertestamentsvollstreckung liegt dies auf der Hand. Aber auch für den Erben wird es oft nicht ausreichend und nicht zufriedenstellend sein, wenn der Nachweis über seine Erbenstellung nach wenigen Monaten ungültig wird.
Art. 70 Abs. 3 S. 3 bestimmt daher, dass die Ausstellungsbehörde in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen abweichend von der Fristvorgabe in Art. 70 Abs. 3 S. 1 eine längere Gültigkeitsfrist beschließen kann.
Soweit eine längere Gültigkeitsfrist nicht von vornherein von der Ausstellungsbehörde gewährt wird, sind Berechtige, die bereits im Besitz einer beglaubigten Abschrift sind, gehalten, bei der Ausstellungsbehörde eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschrift oder eine neue beglaubigte Abschrift zu beantragen. Wer noch keine beglaubigte Abschrift in Besitz hat, muss erstmals eine (neue) beglaubigte Abschrift beantragen.
Fraglich ist, ob der Berechtigte, der eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschrift des Zeugnisses oder eine neue beglaubigte Abschrift begehrt, einen erneuten Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses stellen muss. Sollte sich am zugrunde liegenden Sachverhalt nichts geändert haben, wäre es unverhältnismäßig, vom Antragsteller einen vollständigen neuen Antrag zu verlangen.
Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn in der Zeit zwischen erstmaliger Ausstellung des Zeugnisses und Erteilung einer weiteren beglaubigten Abschrift Veränderungen hinsichtlich der tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse eingetreten sind, die im Zeugnis angegeben werden. Stellt eine Person einen Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses, ist sie selbstverständlich gehalten, nur wahre Angaben zu machen, damit kein inhaltlich falsches Zeugnis erteilt wird. Ähnlich wird man von einer Person, die eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist einer beglaubigten Abschrift eines Zeugnisses oder eine neue beglaubigte Abschrift eines Zeugnisses beantragt, verlangen können, dass sie auf ihr bekannte Veränderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse hinweist, die in der Zeit zwischen Ausstellung des Zeugnisses und Antragstellung auf Erteilung einer weiteren beglaubigten Abschrift eingetreten sind. Dies entspricht einer allgemeinen Mitwirkungspflicht von antragstellenden Personen bei dem Bemühen, den Umlauf inhaltlich unzutreffender Zeugnisse zu verhindern.
Auch insoweit erscheint es ratsam, den Inhalt von Zeugnissen auf das Notwendigste zu beschränken und durch eine geeignete, enge Bestimmung des Zwecks, der mit dem Zeugnis verfolgt wird, darauf hinzuwirken, dass das Zeugnis nur wirklich zweckdienliche Angaben enthält.
Die Möglichkeit der Einziehung einer beglaubigten Abschrift für den Fall, dass sich das ausgestellte Zeugnis als unrichtig erweist, sieht die Verordnung nicht vor. Die Aufbewahrung des Originals des Zeugnisses bei der Ausstellungsbehörde einerseits und die Befristung der beglaubigten Abschriften des Zeugnisses andererseits erschienen dem Verordnungsgeber in Verbindung mit der Möglichkeit der Aussetzung der Wirkungen des Zeugnisses gemäß Art. 73 als ausreichender Schutz des Rechtsverkehrs vor einem falschen Rechtsschein. Die Möglichkeit der Einziehung wäre eine sinnvolle Ergänzung des Schutzes des Rechtsverkehrs gewesen.
Dem nationalen Gesetzgeber dürfte es aber unbenommen sein, soweit er es für erforderlich erachtet, zumindest die Erteilung beglaubigter Abschriften eines berichtigten Zeugnisses von der Rückgabe zuvor erteilter beglaubigter Abschriften eines unrichtigen Zeugnisses abhängig zu machen.
Unzureichend klar ist geregelt, welche Wirkungen das Zeugnis im Gegensatz zu beglaubigten Abschriften (noch) hat, wenn die Befristung auf einer beglaubigten Abschrift abgelaufen ist.