1. Einleitung
Die Frage, wer die Sorge für das eigene Kind erhalten soll (oder auch gerade nicht), wenn sie selbst nicht mehr ausgeübt werden kann, bewegt viele Eltern. Ihre Bedeutung wird oft höher als die von materiellen Regelungen eingeschätzt. Dies gilt besonders bei Familienverhältnissen, die nicht dem früher üblichen Schema entsprechen. Für viele Kinder stehen aber auch keine – sonst oft einspringenden – Tanten und Onkel mehr zur Verfügung, weil die Eltern Einzelkinder sind.
2. Abgrenzung: Sorgerechtsvollmacht
Abzugrenzen ist die Vormundbenennung von der sogenannten "Sorgerechtsvollmacht". Diese beinhaltet die Übertragung der Sorge, ohne sie aufzugeben. Die elterliche Sorge ist zwar höchstpersönlich, eine Übertragung der Ausübung soll aber zulässig sein. Das Mittel wird öfter benutzt, damit beispielsweise psychisch erkrankten Eltern die Sorge nicht (ganz) entzogen werden muss, aber Pflegepersonen oder sogar dem Jugendamt die Ausübung ermöglicht wird. Es wird davon ausgegangen, dass wesentliche Entscheidungen den Eltern vorbehalten bleiben. Für junge Menschen kann eine solche Vollmacht sinnvoll sein, wenn absehbar ist, dass beide Eltern – z. B. aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts – für eine vorübergehende Zeit die Sorge nicht oder nur eingeschränkt ausüben können. Bei dauerhafter Unfähigkeit, die elterliche Sorge auszuüben, entfällt diese bzw. ist sie zu entziehen, sodass eine Sorgerechtsvollmacht für den Fall des Todes oder der dauerhaften Geschäftsunfähigkeit aufgrund eines Unfalls nicht ausreichend ist.
3. Abgrenzung: Bestimmung zur Vermögenssorge
Hat ein minderjähriges Kind geerbt, liegt die Vermögenssorge grundsätzlich beim verbleibenden Elternteil. Im Einzelfall kann das Familiengericht diese – ggf. beschränkt auf den Nachlass – entziehen und auf einen Ergänzungspfleger übertragen.
Der Erblasser kann aber auch die Vermögenssorge gem. § 1638 BGB durch letztwillige Verfügung den Eltern oder einem Elternteil entziehen. Dieses Mittel wird gewählt, wenn dem Elternteil die Vermögenssorge nicht zugetraut wird oder Misstrauen besteht, etwa weil der verfügende Elternteil mit dem anderen nicht (mehr) zusammen lebt.
Ist Testamentsvollstreckung durch eine Person angeordnet, die kein Elternteil ist, verbleiben die Sorge und die Möglichkeit, die Rechte des Kindes dem Testamentsvollstrecker gegenüber geltend zu machen, bei den Eltern. Soll ein (verbleibendes) Elternteil also vollständig ausgeschlossen werden, ist zusätzlich zu der Testamentsvollstreckung auch ein Entzug der Vermögenssorge anzuordnen.
4. Fehlen einer Vormundbenennung
Liegt die elterliche Sorge bei beiden Eltern und verstirbt ein Elternteil, steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil alleine zu, § 1680 Abs. 1 BGB. Wenn nur ein Elternteil sorgeberechtigt war und verstirbt, ist gem. § 1680 Abs. 2 BGB zu differenzieren: In Fällen des § 1671 BGB (Übertragung der Sorge auf ein Elternteil bei Getrenntlebenden) und § 1672 BGB (Übertragung auf den Vater bei ursprünglich alleiniger Sorge der Mutter gem. § 1626 a Abs. 2 BGB – nicht miteinander verheiratete Eltern) kommt es zur Übertragung auf den überlebenden Elternteil, wenn es "dem Wohl des Kindes nicht widerspricht" – also im Regelfall. Hatte die Mutter gem. § 1626 a Abs. 2 BGB die alleinige Sorge inne und verstirbt, erhält der Vater die elterliche Sorge, wenn es "dem Wohl des Kindes dient."
Nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 ist zu erwarten, dass die Fälle der alleinigen Sorge der Mutter nach § 1626 a Abs. 2 BGB seltener werden, da § 1626 a Abs. 1 BGB so anzuwenden ist, dass es im Ergebnis sehr viel häufiger zur gemeinsamer Sorge auch bei unverheirateten Eltern kommen wird.
Entfallen beide Eltern, oder wird dem überlebenden Elternteil die Sorge nicht übertragen (was auch bei nicht Sorgeberechtigten mit einer Vormundbestimmung wegen Art. 6 Abs. 2 GG nur schwer zu erreichen ist), so erhält ein Minderjähriger einen Vormund, § 1773 BGB. Die Anordnung erfolgt von Amts wegen (also ohne Antrag) und kann auch schon vor der Geburt geschehen, § 1774 BGB. Ein Ehepaar kann gemeinschaftlich zum Vormund bestellt werden; im Übrigen soll von der Benennung mehrerer Vormünder abgesehen und für Geschwister nur ein gemeinsamer Vormund ernannt werden, § 1775 BGB.
Einer Benennung der Eltern hat das Familiengericht zu folgen (§ 1776 BGB). Ohne eine Benennung wählt das Gericht nach Anhörung des Jugendamtes und ggf. auch von Verwandten und Verschwägerten des Mündels einen Vormund aus und berücksichtigt dabei Kriterien wie den mutmaßlichen Willen der Eltern, die persönlichen Bindungen und Verwandtscha...