In der Praxis wurden zahlreiche Vergleiche über die Höhe des Pflichtteilsrechts vereinbart. Hier stellt sind die Frage, ob aufgrund der Änderung der Rechtsprechung des BGH und des Wegfalls der Theorie von der Doppelberechtigung ein Wegfall der vergleichsvertraglichen Geschäftsgrundlage eingewandt werden kann.
Das OLG Schleswig hat z. B. bei Unterhaltsvereinbarungen geurteilt, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Unterhaltsverpflichtungen zu einer Störung der vertraglichen Vereinbarung und damit zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann, wenn die Parteien die Regelung gerade wegen der bei Vertragsschluss geltenden Rechtsprechung getroffen haben und bei anderer Rechtslage eine Vereinbarung dieses Inhalts nicht geschlossen hätten. Auch der BGH hat in seinem Urteil am 25.11.2009 auf die Besonderheiten der einzelnen Vereinbarung abgestellt. Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage niedergelegt, kann dies für einen Ausschluss der Anpassung an die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss sprechen. Die Abänderbarkeit wegen Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) durch geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Vertragsschluss oder durch eine Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dadurch aber regelmäßig nicht ausgeschlossen.
Im Einzelfall kommt es also bei Pflichtteilsvergleichen darauf an, ob tatsächlich die Theorie der Doppelberechtigung im Rahmen des Vergleichs bewusst berücksichtigt wurde und es somit zu einer Verringerung der Forderung kam. Kann der Pflichtteilsberechtigte dies beweisen, dann wäre ihm eine Nachforderung anzuraten.
Ist aber eine Generalquittung gegenseitig erteilt worden, so ist für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kaum Platz. Durch eine derartige Klausel wollte man gerade Nachforderungen verhindern. Der Irrtum, die Rechtsprechung mit der Theorie der Doppelberechtigung sei richtig und würde sich nicht ändern, ist ein bloßer ungeschützter Motivirrtum.
Ob sich eine nachträgliche Anpassung tatsächlich finanziell lohnt, hängt freilich auch entscheidend von der Abschmelzung nach § 2325 Abs. 3 BGB ab. Gerade in den Fällen, bei denen aber kein Genussverzicht und die Zuwendung vor der Geburt des Abkömmlings erfolgte, könnte sich eine Nachforderung durchaus attraktiv gestalten.