In den Artikeln 4 ff der Verordnung regelt der Gesetzgeber sodann noch vor der Festlegung der Kollisionsnormen Zuständigkeitsregelungen, wobei er sich für eine gestufte Regelung der Zuständigkeit entschieden hat. Soweit in der Verordnung von "Gericht" die Rede ist, muss der Begriff weit ausgelegt werden, sodass nicht nur Gerichte im eigentlichen Sinne davon erfasst sind sondern auch Notare oder Registerbehörden, die in einigen Mitgliedstaaten in bestimmten Tatsachen gerichtliche Funktionen ausüben. Der Begriff "Gericht" soll aber keine Behörden oder Personen erfassen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit keine gerichtlichen Funktionen ausüben, vergleiche Art 3 Ziff. 2 der VO.
Soweit daher beispielsweise die Staatlichen Notariate in Baden-Württemberg im Rahmen ihrer Tätigkeit im Erbscheinsverfahren gerichtliche Funktionen ausüben, sind sie von der Zuständigkeitsregelung in der Verordnung erfasst. Erbringt ein Notar keine gerichtliche, sondern lediglich beurkundende Tätigkeit, wird diese nicht vom Zuständigkeitsbereich der Verordnung erfasst. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Verordnung auf die Tätigkeit der Notare ist alleine, ob sie im Rahmen ihrer Tätigkeit gerichtliche Funktionen wie Gerichte ausüben. Ist dies nicht der Fall, unterfällt die Tätigkeit nicht dem Zuständigkeitsbereich der Verordnung.
Die gestufte Regelung der Zuständigkeit knüpft zunächst im Art. 4 der Verordnung "allgemeine Zuständigkeit" an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an. Für Entscheidungen in Tatsachen sind für den gesamten Nachlass, also unabhängig von seiner Belegenheit, die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt innehatte.
Mit der Festlegung auf diesen Anknüpfungspunkt sind Schwierigkeiten verbunden, denn den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts festzustellen, dürfte im Einzelfall nicht leicht fallen. Der Verordnungsgeber erklärt hierzu, dass die mit der Sache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tode und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen soll. Dabei sollen alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden, insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat und die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe (vergleiche Textziffer [23] der Erläuterungen). Dass damit Schwierigkeiten begründet sind, wird bereits vom Verordnungsgeber konzidiert, wobei gerade die Situation des beruflich bedingten Aufenthalts in einem anderen Staat in der Textziffer [24] der Erläuterung dargelegt wird. Für diese Situation nimmt der Verordnungsgeber an, dass von einem Fortbestand des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in seinem Herkunftsstaat ausgegangen werden kann, wenn sich dort in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Die sich aus dieser Vorgehensweise ergebenden Probleme der Behörden und Gerichte sind evident: Das mit einer Erbsache befasste Gericht wird nach dem Willen des Verordnungsgebers eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers vornehmen und dabei sowohl die letzten Jahre seines Lebens als auch seine familiären und sozialen Bindungen ermitteln müssen. Zugleich wird dies für diejenigen Personen, die im Rahmen einer erbrechtlichen Angelegenheit ein Gericht eines Mitgliedstaates anrufen, die Verpflichtung begründen, zu diesen Umständen, namentlich zu den sozialen Bindungen zu dem Staat, in dem der Antrag gestellt wird, darzulegen. Für den Erbscheinsantrag heißt dies, dass zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts detaillierte Ausführungen zu den Lebensumständen des Erblassers in den vergangenen Jahren vor seinem Tod sowie zu den familiären und sozialen Bindungen notwendig sind.
Eine Erleichterung mag dabei die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 5 der Verordnung bringen. Danach können "die betroffenen Parteien" vereinbaren, dass das Gericht desjenigen Staates zuständig sein soll, dessen materielles Recht der Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen gewählt hat. Hierbei ist anzumerken, dass im Hinblick auf das für den Erbfall maßgebliche materielle Recht gemäß der Kollisionsnorm im Art. 22 der Verordnung eine Rechtswahl möglich ist (hierzu noch nachfolgend näher). Hat also der Erblasser für das geltende materielle Recht eine Rechtswahl nach Art. 22 der Verordnung getroffen, können die von der Entscheidung des Gerichts betroffenen Personen – also beispielsweise die potenziellen Erben in einem Erbscheinsverfahren – miteinander eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen und damit die Zuständigkeit der Gerichte des gewählten Rechts begründen. Dies setzt aber voraus, dass auch tatsächlich alle in Betracht kommenden Personen übereinstimmend die Gerichtsstandsvereinbarung treffen. In dem sicher nicht seltenen Fall, in dem in einem Erbscheinsverfahren gar nicht alle in Betracht kommenden Erben bekannt sind oder gar in der Lage sind, eine solche Vereinbarung zu ...