Der erleichterten Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle dient das in Kap. VI der Verordnung neu eingeführte Europäische Nachlasszeugnis. Da die Erbrechtsverordnung wie ausgeführt auf reine Inlandssachverhalte keine Anwendung findet, ist vorweg klarzustellen, dass in diesen Fällen ein Europäisches Nachlasszeugnis als Erbnachweis nicht erteilt wird. In diesen Fällen verbleibt es also bei der Erteilung eines inländischen Erbscheins. Der Verordnungsgeber hat das Europäische Nachlasszeugnis allerdings nicht verpflichtend ausgestaltet, es ist fakultativ. Allerdings sollen Gerichte und Behörden bei Vorlage eines solchen Nachlasszeugnisses nicht befugt sein, die Vorlage anderer Dokumente zu verlangen, beispielsweise Vorlage einer Entscheidung oder sonstigen öffentlichen Urkunde, so Erläuterungsziffer [69]. Das Nachlasszeugnis dient zum Nachweis der Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer (!) bzw. Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, Art. 63 Ziff. 1 der Verordnung. In Entsprechung zu den Wirkungen des deutschen Erbscheins stellt das Europäische Nachlasszeugnis keinen vollstreckbaren Titel dar, sondern spricht die Vermutung aus, dass die Sachverhalte zutreffend sind, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht festgestellt wurden, vergleiche Erläuterung (71). Schlussendlich bewirkt das europäische Nachlasszeugnis einen dem deutschen Erbschein entsprechenden Gutglaubensschutz wie § 2366 BGB, allerdings mit der Maßgabe, dass gemäß Erläuterungsziffer [71] der Gutglaubensschutz nur dann gewährt werden soll, wenn "noch gültige beglaubigte Abschriften vorgelegt werden". Demnach würde die bloße Existenz des Nachlasszeugnisses nicht ausreichen, es müsste vielmehr bei der infrage stehenden Leistung in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden. Diese sind gemäß Art. 70 der Verordnung wiederum nur für den begrenzten Zeitraum von sechs Monaten gültig. Gemäß Art. 70 Ziff. 3 der Verordnung muss jeder, der sich im Besitz einer beglaubigten Abschrift befindet, nach Ablauf der sechs Monate bei der Ausstellungsbehörde eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist oder eine neue beglaubigte Abschrift beantragen, wenn das Nachlasszeugnis durch die Erben beispielsweise zu Verfügungen über Nachlassgegenstände verwendet werden soll.
Ob sich diese zeitliche Beschränkung in der Praxis als tauglich erweist, muss bezweifelt werden. Gerade die Verfügung über Nachlassgegenstände, die sich im Ausland befinden, nimmt erfahrungsgemäß großen zeitlichen Aufwand ein. Es ist daher zu erwarten, dass der oder die Erben erheblichen Aufwand mit der wiederholten Beantragung von beglaubigten Abschriften des Nachlasszeugnisses tätigen müssen. Nicht nur, dass die in Art. 70 Ziff. 3 beinhaltete "Halbwertszeit" als äußerst knapp bemessen bezeichnet werden muss, die Sinnhaftigkeit einer solchen zeitlichen Einschränkung muss generell infrage gestellt werden.
Zuständig für die Erteilung des Nachlasszeugnisses sind die gemäß Artikel 4, 7,10 bzw. 11 der Verordnung zuständigen Gerichte bzw. Behörden, Art. 64 der Verordnung. Den Antrag können Erben, Vermächtnisnehmer, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker stellen, wobei bestimmte, näher in Art. 65 Ziff. 3 aufgeführte Angaben erforderlich sind. Es ist beabsichtigt, hierzu Formblätter zu erlassen, die dann zur Beantragung des Europäischen Nachlasszeugnisses Verwendung finden können, Art. 65 Ziff. 2 der Verordnung.
Nach Stellung des Antrags soll die zuständige Behörde den Antrag, die dortigen Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und Nachweise prüfen und gegebenenfalls die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, soweit dies im Heimatrecht der zuständigen Behörde vorgesehen ist. Bei Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts wäre dann eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 2356 Abs. 2 BGB erforderlich.
Der genaue Inhalt des Nachlasszeugnisses ist im Art. 68 der Verordnung näher festgelegt, wobei zu beachten ist, dass neben den Angaben zu den Personen, namentlich zum Antragsteller, dem Erblasser sowie den Berechtigten auch Angaben zu einem vom Erblasser abgeschlossenen Ehevertrag, zum Güterstand, zu dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht sowie dazu erfolgen sollen, ob für die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge gilt! Hinzu kommen Angaben über Vermächtnisse und deren Begünstigte, Einschränkungen der Rechte der Erben bzw. Vermächtnisnehmer sowie zu Befugnissen von Testamentsvollstreckern bzw. Nachlassverwaltern.
Gegen die Entscheidung der Ausstellungsbehörde nach Art. 67 der Verordnung, also gegen die Erteilung oder Verweigerung der Erteilung des Nachlasszeugnisses, können gemäß Art. 72 der Verordnung Rechtsbehelfe eingelegt werden. Berechtigte sind Personen, die berechtigt wären, ihrerseits ein Zeugnis zu beantragen. Zuständig ist das Gericht des Mitgliedstaates der Ausstellungsbehörde. Richtig ist der Rechtsbehelf, der nach diesem Recht statthaft ist. Die Verordnung spricht insoweit in Art. 72 Ziff. 2 von ein...