Probleme ergeben sich immer wieder, wenn verstorbene Eltern nicht nur gemeinsame Kinder hinterlassen. Im entschiedenen Fall war der Ehemann im Mai 2011 verstorben und hinterließ neben seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter einen 1946 außerehelich geborenen Sohn. Die Tochter berief sich gegenüber dem Erbscheinsantrag des Sohnes auf Erteilung eines gesetzlichen Erbscheins (1/2 Mutter, je 1/4 Kinder) auf ein vom Erblasser und von der Ehefrau unterschriebenes Schriftstück: "Vollmacht! Sollte bei einem Unfall meiner Frau und mir mit Todesfolge ausgehen, so kann meine Tochter … frei über unseren Hausrat wie Bargeld – Ciro Kondo – SparKassenbuch Bundesschatzbrief und unser Auto Ford 15M verfügen. (Ort), d. 4. Sep. 73."
Es galt die Frage zu beantworten, ob es sich überhaupt um ein Testament der Eheleute handelte, das auch auf den Fall des nicht gleichzeitigen Versterbens anwendbar sei. Außerdem stellte sich die Frage, ob die durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12.4.2011 (BGBl I S. 615) neu gefasste und die Benachteiligung der "alten" vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder für Erbfälle ab 29.5.2009 beseitigende Vorschrift des Art. 12 § 10 NEhelG Anlass gab, über die Erbenstellung des nichtehelich geborenen Sohnes nachzudenken. Denn erst durch die zitierten Vorschriften wurde das Erbrecht der vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborenen Kinder nach dem Vater eingeführt. Das bedeutete im entschiedenen Fall, dass der Sohn nach § 1589 Abs. 2 BGB aF als uneheliches Kind und mit dem Erblasser als nicht als verwandt gegolten hatte. Ein gesetzliches Erbrecht nach dem Erblasser hatte er also erst nach Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder erworben. Es stellte sich damit die Frage, ob das Nichtstun des Erblassers nach der Gesetzesänderung dahin zu interpretieren war, dass dieser nichts gegen die nun eingeführte gesetzliche Erbenstellung tun wollte oder es (wohl lebens“wahrscheinlicher“) bei dem für ihn gewohnten Zustand belassen wollte, dass die gemeinsame Tochter und/oder die Ehefrau Erbin sein sollte.
Der Senat war der Auffassung, dass die Vollmacht durchaus als Testament gewertet werden konnte, weil das Schriftstück zwar mit "Vollmacht" überschrieben war, aber ausdrücklich den Fall eines Unfalls "mit Todesfolge" regelte. Außerdem war der Tochter die Befugnis eingeräumt, frei zu "verfügen". Das sprach dafür, dass die Ehegatten mit der eher unbedarft abgefassten Urkunde ihrer gemeinsamen Tochter die einem Erben zukommende Stellung einräumen wollten. Allerdings war nur der Fall geregelt, dass beide Ehegatten verstorben wären. Erst dann sollte die Tochter über das gemeinsame Vermögen verfügen. Der gesamte Inhalt der Urkunde bot keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie bereits nach dem Tod eines der beiden Ehegatten Alleinerbin sein sollte. Vielmehr ergab sich aus den Formulierungen "meiner Frau … und mir mit Todesfolge" und "unseren Hausrat", dass die Testierenden erst nach dem Ableben beider die gemeinsame Tochter als Rechtsnachfolgerin für das gemeinsame Vermögen einsetzen wollten. Es musste deshalb nicht entschieden werden, ob nach dem Willen der Ehegatten nur der Fall erfasst sein sollte, dass beide Ehegatten (nahezu) gleichzeitig oder kurz hintereinander versterben würden (dafür spricht "bei einem Unfall"), oder allgemein die Situation nach dem Ableben beider geregelt werden sollte. Eine Regelung für die Erbfolge beim Tod des zuerst versterbenden Ehegatten enthielt die letztwillige Verfügung nicht; es trat daher die gesetzliche Erbfolge ein.
Damit war die bereits vorgestellte Fragestellung zu bearbeiten, ob der Sohn durch die Verfügung von der erst am Lebensabend des Erblassers eingetretenen gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen war. Aus dem Testament ergab sich wörtlich dazu nichts, es war nach den im Jahre 1973 vorherrschenden Vorstellungen verfasst worden und befasste sich nicht mit der damals utopischen Frage nach der Herstellung der gesetzlichen Erfolge zugunsten des nichtehelichen Sohnes. Die Ehegatten hatten ganz von der Gestaltung der Erbfolge nach dem zuerst Versterbenden durch letztwillige Verfügung abgesehen. Dies mit der Folge, dass sich die Erbfolge nach dem Erstversterbenden nach den gesetzlichen Vorschriften zu richten hatte. Die vollständig fehlende testamentarische Regelung des ersten Sterbefalls konnte nicht durch eine "ergänzende Auslegung" erst geschaffen werden. Das galt nicht nur für eine positive Ergänzung dahingehend, wer Erbe sein sollte, sondern auch für eine "negative" Ergänzung dahingehend, wer von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sein sollte. Ein entsprechender Wille hatte im Testament vom 4.9.1973 auch nicht andeutungsweise seinen Niederschlag gefunden. Er war deshalb mangels einer formgerechten Erklärung unbeachtlich. Aufgrund der für letztwillige Verfügungen geltenden Formvorschriften kann ein tatsächlich vorhandener, ab...