Die Ausgangsfrage der nächsten Entscheidung stellt den Klassiker im Nachgang zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch Ehegatten dar: Kann der überlebende Ehegatte erneut, und zwar in Abweichung zu dem gemeinschaftlichen Testament, neu testieren? Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die Ehegatten wechselbezügliche Verfügungen iSd § 2270 BGB getroffen haben. Diese hatten sich im entschiedenen Fall in einem notariellen Testament wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Dies unter der auflösenden Bedingung, dass der überlebende Ehegatte nicht wieder heirate. In diesem Fall solle er Vorerbe sein. Der Nacherbfall zugunsten der gemeinsamen Kinder bzw. – im Falle des Versterbens eines der Kinder – deren "Nachfolger" sollte mit Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten eintreten. Der "Erbe", der nach dem ersten Erbfall seinen Erbteil verlange, solle auch im zweiten Erbfall auf den Pflichtteil gesetzt werden. Nach dem Tod der Ehefrau setzte der Erblasser mit handschriftlichem Testament seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein und beschränkte das Erbe seiner zwei Kinder auf den Pflichtteil. Dem Antrag der Lebensgefährtin auf Erteilung eines Alleinerbscheins widersetzten diese sich.
Eine ausdrückliche Regelung der Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten enthielt das Testament nicht. Eine solche konnte aber infolge der Auslegung iSd §§ 133, 157 BGB festgestellt werden. Maßgebend ist der wirkliche Wille der Testierenden, dem auch im Falle eines "klaren und eindeutigen Wortlauts" der Verfügung der Vorrang zukommt. Insbesondere wenn gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden sind, muss eingehend geprüft werden, ob sich ein Wille der Ehegatten feststellen lässt, dass der beidseitige Nachlass nach dem Tode des Längstlebenden an die Abkömmlinge fallen soll.
Insoweit gilt der Satz des BayObLG: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine letztwillige Verfügung insofern stillschweigend erfolgen kann, als sich der Wille der Erblasser hinter anderen Bestimmungen versteckt und lediglich aus dem übrigen Testamentsinhalt zu entnehmen ist." Mit den Worten des BayObLG: Das "Bedeutsamste kann für den Erblasser so selbstverständlich sein, dass er der Meinung ist, dieses neben seinen übrigen Anordnungen nicht ausdrücklich niederlegen zu müssen."
Insofern war zu prüfen, ob hinter der Anordnung einer Pflichtteilsstrafklausel zugleich eine Erbeinsetzung verborgen war. Diese Frage ist bisher von den Obergerichten noch nicht abschließend geklärt worden. Zu dieser Streitfrage musste der Senat aber nicht abschließend Stellung nehmen, da weitere Umstände die Erbeinsetzung nahelegten: die Pflichtteilsklausel war mit einer Wiederverheiratungsklausel kombiniert worden. Dies deutete darauf hin, dass die Ehegatten ihr Vermögen als eine Einheit betrachteten und ihr Interesse darauf gerichtet war, den Nachlass zugunsten ihrer gemeinsamen Kindern zu sichern und damit zu verhindern, dass der Nachlass an einen neuen Partner und dessen Verwandte fallen könnte. Die Wichtigkeit dieses Sicherheitsinteresses zeigte sich auch in der Aufnahme einer Ersatzerbenregelung für den Fall des Vorversterbens eines ihrer Kinder (bzw. deren "Nachfolger"). In der Gesamtschau legen die beiden Anordnungen nahe, dass die Pflichtteilsklausel nicht nur den Zweck hatte, ein Verhalten der Kinder zu sanktionieren, sondern dass die Ehegatten ihre gemeinschaftlichen Abkömmlinge als ihre Erben angesehen haben.
Dass das gemeinschaftliche Testament durch einen Rechtsanwalt und Notar errichtet wurde und dabei die Aufnahme einer Schlusserbeneinsetzung unterblieben ist, stand nach Auffassung des Senats dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Insoweit wird zwar vertreten, dass in solch einem Fall der notariellen Errichtung des Testaments kein Raum für eine Auslegung sei. Im vorliegenden Fall hat der Senat dennoch die Möglichkeit einer erläuternden Auslegung bejaht, da die im Testament vorgefundenen untechnischen Formulierungen gegen eine in diesem Punkt präzise Fassung der Erbfolgeklauseln sprachen. So wurde im Rahmen der Wiederverheiratungsklausel in Bezug auf den Nacherben das Wort "Nachfolger" verwendet. Das ist insofern ungenau, als sich daraus sich nicht ergibt, ob nur die Abkömmlinge oder aber die Rechtsnachfolger "eines dieser Kinder" dessen "Erbteil" erben sollen. Andererseits deutete der Begriff "Erbteil" wie auch die Formulierung "einer unserer Erben" darauf hin, dass die Erblasser tatsächlich ihre Kinder als Schlusserben angesehen hatten.