Es wurde schon darauf hingewiesen, dass sich Schwierigkeiten bei der Testamentsauslegung ergeben können, wenn ein Ehegatte ein oder mehrere Kinder hat, die nicht aus der Ehe mit dem mittestierenden Ehegatten stammen. Im entschiedenen Fall hatten sich die Ehegatten wechselseitig zum "alleinigen und ausschließlichen Erben" eingesetzt und für den Fall des gleichzeitigen Versterbens den Sohn des vorverstorbenen Ehemanns als Erben eingesetzt. Außerdem hieß es, sämtliche Verfügungen seien wechselbezüglich und könnten daher nur gemeinsam geändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Allerdings solle der überlebende Ehegatte berechtigt sein, das Testament "einseitig zu ändern". Das Nachlassgericht beabsichtigte, den dem Sohn des Ehemanns nach Versterben der Ehefrau erteilten Erbschein wieder einzuziehen, da sich dieser nicht auf das gemeinschaftliche Testament berufen könne, zumal er sich gegenüber der Erblasserin schlecht benommen und diese daher beabsichtigt habe, ihn aus dem Testament zu streichen.
Es war im Wege der (erläuternden) Testamentsauslegung der wirkliche Wille der Ehegatten zu erforschen. Dabei war bei dem nicht eindeutigen und daher auslegungsbedürftigen Testamentswortlaut nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr war der Wortsinn der benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was die Eheleute mit ihren Worten sagen wollten. Ein Abweichen vom Wortsinn setzt dabei voraus, dass Umstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Bei gemeinsamen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament muss für jede geprüft werden, ob ein nach dem Verhalten des einen Testierenden mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen entsprochen hat, wobei der übereinstimmende Wille zurzeit der Testamentserrichtung maßgebend ist.
Die Formulierung "bei gleichzeitigem Versterbens" wird so ausgelegt, dass sie auch noch Fallgestaltungen betrifft, in denen von einem "gleichzeitigen Tod" nur im weiteren Sinne die Rede sein kann, in denen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zum gleichzeitigen Tod der Ehegatten im engeren Sinne besteht. Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeinsetzung) zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen kann. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht dann für den Fall des "gleichzeitigen Todes", in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen – und zu einer weiteren Verfügung von Todes wegen des überlebenden Ehegatten – kommt. Dieser Regelungsbedarf besteht auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben. Eine für den Fall des "gleichzeitigen Versterbens" getroffene Erbeinsetzung gilt deshalb grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten nacheinander – in erheblichem zeitlichem Abstand – versterben. Eine Ausnahme hiervon kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff des "gleichzeitigen Versterbens" bzw. "gleichzeitigen Ablebens" entgegen dem Wortsinn dahin verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand umfassen sollte, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet ...
Dies konnte hier angenommen werden. Die Ehegatten hatten unmittelbar nach Einsetzen des Beschwerdeführers als "Schlusserbe" die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen ausdrücklich angeordnet, jedoch bei Überleben eines der Ehegatten eine Abänderungsbefugnis zu dessen Gunsten bestimmt. Ein solche Befugnis ergibt nur dann Sinn, wenn ein Ehegatte – entgegen dem eigentlichen Sinn der "Gleichzeitigkeitsklausel" (s. o.) – den anderen überlebt und dieser nach der Vorstellung der Ehegatten noch die Möglichkeit hat, in Bezug auf die wechselbezügliche und damit bindende Verfügung zugunsten des "Schlusserben" anders zu verfügen. Bei einer Verwendung der Formulierung "gleichzeitig" im Wortsinn wäre aber für die Anordnung einer Abänderungsbefugnis keine Notwendigkeit gegeben gewesen. Zudem hatten die Ehegatten in Bezug auf den Bedachten die Formulierung "Schlusserbe" verwendet, die nach ihrem Wortsinn ebenfalls voraussetzt, dass vor Anfall des Nachlasses zugunsten des Bedachten bereits ein Erbgang zugunsten des überlebenden Ehegatten erfolgt ist. Dies wäre bei einem "gleichzeitigen Versterbens" gerade nicht der Fall. In der Gesamtschau der von den Ehegatten getroffenen Verfügungen und Formulierung lag es daher näher, dass die Ehegatten den Fall eines nacheinander Versterbens in (erheblichem) zeitlichem Abstand geregelt hatten.
In einem anderen nicht verö...