Jede Verschonung läuft darauf hinaus, dass ein Erwerb im privaten Bereich, der aus privater Ursache stattfindet, nicht besteuert wird. Ein solcher Erwerb dient generell dem privaten und nicht dem allgemeinen Wohl. Deshalb kann eine Verschonung nur gerechtfertigt sein, wenn ein Interesse der Allgemeinheit besteht, gerade diesen privaten Erwerb aufgrund seiner Besonderheiten ganz oder teilweise unbesteuert zu lassen. Es muss also qualitative Kriterien geben, die eine Verschonung rechtfertigen.

Solche Besonderheiten gibt es nicht bei allen Unternehmen, sondern nur bei den mittelständischen Familienunternehmens[4], bei denen die Eigentums- und Leitungsrechte in der Person des Unternehmers oder seiner Familie vereint sind. Für sie als Typus ist kennzeichnend, dass mindestens 50 % der stimmberechtigten Anteile von ein oder zwei Personen oder ihren Familien gehalten werden, die das Unternehmenskonzept bestimmen und als Geschäftsführer umsetzen.

Familienunternehmen[5] sind in allen Wirtschaftsbereichen der vorherrschende Unternehmenstyp, sie machen rund 95,3 % der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen aus, stellen mit rund 61,2 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in erheblichem Ausmaß Ausbildungs- und Arbeitsplätze bereit und zeichnen sich durch Innovation, Produktqualität, Wirtschaftlichkeit, Kundennähe und Engagement der Mitarbeiter aus – eben durch eine für sie typische Unternehmenskultur.[6] Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte, die diese Unternehmen bewirken, beruhen darauf, dass das unternehmerische Engagement mit seinen Bedingungen und Erfordernissen das private Eigentum am Unternehmen überlagert und begrenzt. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, dass diese Effekte Bestand haben, was voraussetzt, dass die zwangsläufig eintretende Erbfolge nicht Entnahmen zur Zahlung von Erbschaftsteuer nach sich zieht, die die Eigenkapitalbasis und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen schmälern.

Anders als in den §§ 13 a, 13 b ErbStG des geltenden Rechts ist die Verschonung losgelöst vom Ertragsteuerrecht zu gestalten. Denn es ist nicht sachgerecht, die Vermögenssubstanz, um deren Verschonung es geht, nach Kriterien zu bestimmen, die für die Besteuerung von Einkünften gelten.[7] Deshalb muss das verschonungsfähige Unternehmensvermögen im Erbschaftsteuerrecht selbst definiert werden.

Für Zwecke der Verschonung ist unter einem Unternehmen eine selbstständige, nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, mit der ein Gewinn erzielt werden soll. Die Tätigkeit besteht in einer Marktteilnahme durch Herstellung oder Handel mit Waren oder anderen Sachen, Rechten und Leistungen und lässt sich anhand dieser qualitativen Merkmale positiv von einer Kapitalanlage abgrenzen, für die es keine Verschonung geben kann. Die herkömmliche negative Abgrenzung, es dürfe sich bei der Tätigkeit nicht um Vermögensverwaltung handeln, kann zur weiteren Klarstellung ergänzend verwendet werden.

Verschonungsfähig ist der Wert des Unternehmens oder der Unternehmensbeteiligung nur insoweit, als er auf dem notwendigen Unternehmensvermögen beruht. Notwendiges Unternehmensvermögen und nicht notwendiges Unternehmensvermögen werden nach funktionalen Kriterien objektiv abgegrenzt, wie sich das bei Unternehmensbewertung bewährt.[8] Dadurch verbleibt allenfalls in Grenzbereichen der Zuordnung zu einer der Vermögensgruppen ein Raum für steuerlich motivierte Gestaltungen.

Der Wert des notwendigen Unternehmensvermögens wird unabhängig von den Eigentumsverhältnissen verschont, also auch dann, wenn ein Vermögensgegenstand nicht dem Unternehmen, sondern einem daran Beteiligten gehört, der ihn dem Unternehmen zur Nutzung überlässt. Dann kommt es darauf an, ob der Vermögensgegenstand notwendiges Unternehmensvermögen wäre, wenn er dem Unternehmen gehörte. Dadurch werden gängige Gestaltungen wie Betriebsaufspaltungen und Sonderbetriebsvermögen unabhängig von den ertragsteuerlichen Kriterien in die Verschonung einbezogen.

Bei dem Erwerb von Unternehmensbeteiligungen darf nicht nach der Rechtsform des Unternehmensträgers unterschieden werden, also zwischen den Beteiligungen an Personengesellschaften und den Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Denn anders als im Ertragsteuerrecht[9] sind erbschaftsteuerlich alle Beteiligungsformen gleichwertig. Vielmehr ist zu unterscheiden zwischen Beteiligungen an Familienunternehmen und an Publikumsunternehmen.

Bei den Familienunternehmen darf der Erwerb jeder Beteiligung verschont werden, sodass es nicht auf eine Mindesthöhe ankommt. Das gilt auch für die Beteiligungen Familienfremder, die es bei den eher selten börsennotierten Familienunternehmen gibt.[10] Insofern wirkt der Typus des Familienunternehmens aus Gründen der Gleichbehandlung zugunsten aller Beteiligten und nicht nur zugunsten der Familie.

Zu den Publikumsunternehmen gehören die Unternehmen, die auf Beteiligungen einer unbestimmten Vielzahl von Personen angelegt sind, die typischerweise eine Kapitalanlage suchen. Bei ihnen fehlt das die Verschonu...

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