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Das BVerfG hat am 8.7.2014 über die Vorlage des BFH verhandelt, in der zum zweiten Mal eine nicht verfassungskonforme Gestaltung des Erbschaftsteuerrechts geltend gemacht wird. Der Verlauf der Verhandlung lässt erkennen, dass die Unternehmensnachfolge grundsätzlich begünstigt werden darf. Nur muss die Begünstigung zielgenauer, verhältnismäßiger und weniger gestaltungsanfällig erfolgen.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Die Erbschaftsteuer erfasst den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen. Ergänzend erfasst die Schenkungsteuer den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aufgrund einer Schenkung unter Lebenden. Beide Male geht es um die Besteuerung des Erwerbs von Vermögenssubstanz.
Damit eine gleichmäßige Besteuerung erfolgt, muss im Grundsatz jeder Erwerb besteuert werden. Dem Gesetzgeber ist es jedoch unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe mittels Verschonungsregeln den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände – gegebenenfalls auch sehr weitgehend – zu begünstigen. Solche Normen müssen den allgemein für Regelungen zur außerfiskalischen Lenkung geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Es muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein; dazu ist es erforderlich, die Begünstigungswirkungen so zu gestalten, dass sie ausreichend zielgenau sind und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Bei der Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber bei der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu.
Zuvor hatte das BVerfG entschieden, der Gesetzgeber müsse berücksichtigen, dass die Existenz bestimmter Betriebe – namentlich mittelständischer Unternehmen – durch die Erbschaftsteuer gefährdet werden kann. Diese Betriebe seien in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet, da sie als Garanten von Produktivität und Arbeitsplätzen in vielfacher Weise einer gesteigerten rechtlichen Bindung unterlägen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erwerbers entspreche daher seinem Vermögenszuwachs nicht voll, weil die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne dem Betrieb zugehörige Wirtschaftsgüter beschränkter sei als bei betrieblich ungebundenem Vermögen.
Die Grenzen einer Verschonung ergeben sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Danach muss das staatliche Handeln geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, es muss zum Erreichen des Ziels erforderlich und in seiner Gesamtheit verhältnismäßig sein. Das gilt nicht nur für Eingriffe in Rechte, sondern auch für die Gewährung von Steuerverschonungen.
2. Gesetzgeberische Ausgestaltung
Jede Verschonung läuft darauf hinaus, dass ein Erwerb im privaten Bereich, der aus privater Ursache stattfindet, nicht besteuert wird. Ein solcher Erwerb dient generell dem privaten und nicht dem allgemeinen Wohl. Deshalb kann eine Verschonung nur gerechtfertigt sein, wenn ein Interesse der Allgemeinheit besteht, gerade diesen privaten Erwerb aufgrund seiner Besonderheiten ganz oder teilweise unbesteuert zu lassen. Es muss also qualitative Kriterien geben, die eine Verschonung rechtfertigen.
Solche Besonderheiten gibt es nicht bei allen Unternehmen, sondern nur bei den mittelständischen Familienunternehmens, bei denen die Eigentums- und Leitungsrechte in der Person des Unternehmers oder seiner Familie vereint sind. Für sie als Typus ist kennzeichnend, dass mindestens 50 % der stimmberechtigten Anteile von ein oder zwei Personen oder ihren Familien gehalten werden, die das Unternehmenskonzept bestimmen und als Geschäftsführer umsetzen.
Familienunternehmen sind in allen Wirtschaftsbereichen der vorherrschende Unternehmenstyp, sie machen rund 95,3 % der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen aus, stellen mit rund 61,2 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in erheblichem Ausmaß Ausbildungs- und Arbeitsplätze bereit und zeichnen sich durch Innovation, Produktqualität, Wirtschaftlichkeit, Kundennähe und Engagement der Mitarbeiter aus – eben durch eine für sie typische Unternehmenskultur. Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte, die diese Unternehmen bewirken, beruhen darauf, dass das unternehmerische Engagement mit seinen Bedingungen und Erfordernissen das private Eigentum am Unternehmen überlagert und begrenzt. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, dass diese Effekte Bestand haben, was voraussetzt, dass die zwangsläufig eintretende Erbfolge nicht Entnahmen zur Zahlung von Erbschaftsteuer nach sich zieht, d...