1. Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens

Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Nachlassinsolvenzverfahren zwei Zwecke.[6] Erster Zweck: Der Nachlass, charakterisiert als Sondervermögen, soll durch die Insolvenzeröffnung vom (originären) Eigenvermögen des Erben abgegrenzt werden. Zwar geht gem. § 1922 BGB der Nachlass auf den Erben mit der Folge über, dass dieser, neben dem Nachlassvermögen, den Nachlassgläubigern unbeschränkt mit seinem Vermögen haftet (§ 1967 BGB). Jedoch führt die Insolvenzeröffnung zu einer Begrenzung der Haftung auf den Nachlass (§ 1975 BGB aE). Zweiter Zweck: Das Nachlassinsolvenzverfahren dient der gleichmäßigen (quotalen) Befriedigung der Nachlassgläubiger (§ 1 S. 1 iVm §§ 315 ff).

[6] BGH v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, NJW-RR 2008, 873 Rn 11.; so auch Roth aaO, S. 3 mwN, der den Eintritt der Haftungsbeschränkung als einen Nebeneffekt des Nachlassinsolvenzverfahrens bezeichnet.

2. Der Insolvenzantrag

a) Allgemeine Voraussetzungen

Jedes Insolvenzverfahren setzt gem. § 13 Abs. 1 S. 1 einen schriftlichen Insolvenzantrag voraus. So auch ein Nachlassinsolvenzverfahren. Nahezu selbstverständlich sollte zu Eingang des Antrags klargestellt werden, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag nicht um den Antrag in einem Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern um den Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens iSd §§ 315 ff handelt. Ein bundesweit für Nachlassinsolvenzverfahren einheitlich zu verwendendes Antragsformular hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bisher entgegen § 13 Abs. 3 nicht eingeführt. Dies ist in der Praxis nicht minder misslich: Zeigt sich doch seit der Einführung bzw. Neufassung des § 13 Abs. 1, dass bis zu 90 % der Insolvenzanträge durch die Gerichte beanstandet werden. Hintergrund dessen ist, dass nach dieser Neufassung jedenfalls bei nicht eingestelltem Geschäftsbetrieb besondere Angaben zu der höchsten (gesicherten) Forderung, Forderungen der Finanzverwaltung etc. zu machen sind.[7] Was nun aber bei einem Nachlass, der einen aktiven Gewerbebetrieb beinhaltet? Das "Justizportal NRW" bietet ein übersichtliches Formular als Download an.[8] Dieses beinhaltet neben Angaben zu dem Verstorbenen, der Position/Funktion des Antragstellers u. a. Fragen bzw. zu machende Angaben zu Punkten wie der selbständigen Erwerbstätigkeit, zu Sicherungsrechten, Schenkungen und Veräußerungen des Erblassers[9] u. ä., und dürfte somit den Anforderungen an einen zulässigen Insolvenzantrag in einem Nachlassinsolvenzverfahren "fürs Erste" gerecht werden. Sofern im konkreten Fall weitere Informationen beizubringen sind, zeigt die Erfahrung der Verfasser, dass die Insolvenzgerichte hier ausreichend Gelegenheit bieten, nachzubessern.

[7] Vgl. dazu im Einzelnen nur den Kanon des § 13 Abs. 1 S. 3 f.
[8] Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens, 5.7.2016, 11.49 Uhr, Download: http://www.justiz-nrw.de/BS/formulare/insolvenz/eroeffnung_insolvenzverfahren/Antragsformular_-_Nachlassinsolvenzverfahren.pdf.
[9] Was bei Antragstellung durch den anwaltlichen Bevollmächtigten eines Erben u. U. zu "Friktionen" führen kann, wenn der Nachlassinsolvenzverwalter im Anschluss aufgrund der Angaben des Anwalts Anfechtungsansprüche gegen den Erben als seinen Mandanten geltend macht.

b) Spezielle Voraussetzungen

Die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Nachlassinsolvenzverfahrens werden in den §§ 315–319 geregelt.

aa) Örtliche Zuständigkeit (§ 315)

Der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist grundsätzlich bei dem Insolvenzgericht zu stellen, in dessen Bezirk der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte (§§ 315 S. 1, 4 iVm §§ 4, 12, 13, 16 ZPO). Hiervon abweichend wird für den Fall, dass der Erblasser an einem anderen Ort selbstständig wirtschaftlich tätig[10] war geregelt, dass ausschließlich das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 315 S. 2).

[10] Auf den Umfang oder gar wirtschaftlichen Erfolg der wirtschaftlichen Tätigkeit kommt es nicht an.

bb) Zulässigkeit der Eröffnung (§ 316)

Weder die Möglichkeit, dass der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat, noch die, dass er bereits persönlich für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, steht der Insolvenzeröffnung entgegen (§ 316 Abs. 1). Die Teilung des Nachlasses in mehrere Erbteile steht der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über den Nachlass ebenso wenig entgegen, jedoch kann ein Insolvenzverfahren nur über den gesamten Nachlass, nicht aber über einen Erbteil eröffnet werden (§ 316 Abs. 2, 3). Dies ist sinnvoll, um hierdurch die o. g. Zwecke des Nachlassinsolvenzverfahrens erreichen zu können.

cc) Antragsberechtigte (§§ 317 f, 330) und Insolvenzantragspflicht (§ 1980 Abs. 1 S. 1 BGB)

Antragsberechtigt ist grundsätzlich der Erbe. Wie beschrieben, ist gem. § 316 InsO die Insolvenzeröffnung nicht davon abhängig, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat. Gleiches muss auch für das Antragsrecht des Vorerben gelten. Von einer Annahme der Erbschaft ist das Antragsrecht also unabhängig.[11] Der Erbe hat jedoch kein Antragsrecht, wenn die Tatsache, ob er Erbe ist, strittig ist. Dieser Sachverhalt ist nämlich nicht durch das Insolvenzgericht im Rahmen des Antragsverfahrens zu klären.[12] Ebenfalls entfällt das Antragsrecht dann, wenn der Erbe die Aus...

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