Bergquist/Damascelli/Frimston/Lagarde/Odersky/Reinhartz
Auflage 2015, broschiert, 422 Seiten, 59,80 EUR, Otto Schmidt Verlag
ISBN: 978-3-504-08000-6
Im Hinblick darauf, dass die EU-ErbVO den Erbrechtler in seiner täglichen Praxis immer mehr zu beschäftigen beginnt, ist es nicht überraschend und hilfreich zugleich, dass inzwischen, neben zahlreichen Aufsätzen und Kommentierungen innerhalb von Kommentaren zum BGB und der ZPO nun auch Einzelkommentare zur Verordnung erschienen sind. Dazu zählt das zu besprechende Werk.
Dieser Kommentar weist die Besonderheit auf, von sechs Verfassern aus verschiedenen Ländern geschrieben worden zu sein, die alle an der Ausarbeitung der Verordnung mitgewirkt haben. Verdienstvoll ist auch der Umstand, dass das Werk sowohl in französischer wie englischer Sprache erschienen ist, wobei dem Rezensent aus eigener Anschaffung auch die etwas früher erschienene französische Fassung zur Verfügung stand. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wären ihm verstörende Differenzen und handwerkliche Ungenauigkeiten, die leider durchweg die deutsche Fassung betreffen, in dieser Form vermutlich aber gar nicht aufgefallen.
Soweit z. B. Dutta in seiner Besprechung in ErbR 5/2016 zu Recht kritisiert hat, dass die Verfasser in ihrem (deutschen) Vorwort die Expertengruppe der EU-Kommission, der sie fast alle angehört haben, als Verfasser der Verordnung angeben, heißt es in der französischen Fassung bescheidener und richtig, diese Expertengruppe sei für den "Entwurf" der Verordnung, welcher bekanntlich in den anschließenden Beratungen aber zum Teil noch erhebliche Veränderungen erfahren hat, verantwortlich gewesen. Umgekehrt heißt es in der französischen Fassung an gleicher Stelle, die Verfasser hätten wechselseitig ihre Beiträge kommentiert, eine Aussage, die im deutschen Vorwort, bewusst oder unbewusst, fehlt. Zu bedauern ist insoweit aber, dass man den jeweiligen Beiträgen eine solche wechselseitige Durchdringung nicht entnehmen kann. Auszunehmen davon ist allerdings in gewisser Weise die hervorragende Einleitung von Lagarde, der hier von seiner jahrzehntelangen Erfahrung wie Einbindung in diverse europarechtliche und andere internationale Projekte des internationalen Privatrechts profitiert und diese auch in seiner Kommentierung der Art. 21–38 zur Geltung bringt.
Positiv ist bei allen Verfassern indessen hervorzuheben, dass sie in ihren Kommentierungen stets den Zusammenhang zu den für die Auslegung hilfreichen Erwägungsgründen, aber auch zu sonst relevanten europäischen Auslegungshilfen, wie der Rechtsprechung des EuGH und anderen europäischen Abkommen und Verordnungen herstellen.
Sicherlich ist es dem Format als Kurzkommentar geschuldet, dass eine vertiefende Auseinandersetzung mit bereits bekanntgewordenen Streitständen nicht stattfindet. So hätte der Rezensent im Hinblick auf seine eigene Rechtspraxis z. B. gerne erfahren, ob es mit der weitreichenden Wirkung, die die Verordnung dem Nachlasszeugnis zuschreibt, vereinbar wäre, wenn in Frankreich zur Berichtigung der Grundstücksregister weiterhin, häufig mehrere tausend Euros kostende, notarielle Grundstücksbescheinigungen verlangt würden. Während Lagarde in seiner Einleitung darauf hinweist, dass die insoweit einschlägigen Vorschriften, Art. 69 Abs. 5 einerseits und Art. 1 Abs. 2 lit. l andererseits, miteinander "kombiniert" werden müssten, beschränkt sich Reinhartz in ihrer Kommentierung zu Art. 69 darauf, den in Abs. 5 enthalten Vorbehalt bezüglich des Art. 1 Abs. 2 lit. l zu zitieren, während Frimston in seiner Kommentierung zu eben dieser Vorschrift ausschließlich den Erwägungsgrund 18 wiedergibt, wonach die Behörden nicht daran gehindert sein sollten, zusätzliche Schriftstücke zu verlangen, wie beispielsweise Angaben oder Schriftstücke betreffend die Zahlung von Steuern, womit aus Sicht des Rezensenten (siehe dazu ZErb 3/2015, S. 69, 77) aber sicher nicht gemeint war, zusätzliche Urkunden verlangen zu können, für deren Erstellung schnell mehrere tausend Euro veranschlagt werden müssen. Auch wäre es interessant gewesen zu erfahren, ob ein deutsches Nachlassgericht im Rahmen der Erbquote, die in das Nachlasszeugnis gemäß Art. 68 lit. l aufzunehmen ist, die etwaige Erhöhung für den überlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 1 BGB mit einrechnen darf/muss, obwohl die ehelichen Güterstände vom Anwendungsbereich der Verordnung ausdrücklich ausgenommen sind? Wäre dies so, wäre ein solches Zeugnis zumindest aus französischer Sicht, die auch im Fall einer Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod nur einen rechnerischen Ausgleich kennt, unrichtig, was dann aber mit sicherlich bestenfalls sehr geringen Erfolgsaussichten vor einem deutschen Gericht, dem nach Art. 72 für ein Rechtsmittel ausschließlich zuständigem Gericht, geltend gemacht werden müsste.
Zu den eingangs kritisierten handwerklichen Mängeln, die ersichtlich auch darauf beruhen, dass auf Übersetzungen zurückgegriffen wurde, soll, weil doch nicht ganz unbedeutend, auf folgende Beispiele hingewiesen wer...