Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Oberle dürfte weitreichende Folgen haben, die sich derzeit noch gar nicht vollständig absehen lassen.
In den Fällen, in denen (wie im Ausgangsfall Oberle) feststeht, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, sind nach der allgemeinen Zuständigkeitsregel (Art. 4 EuErbVO) allein die Gerichte dieses Mitgliedsstaats für die Erteilung des Erbscheins zuständig. Danach wären im Ausgangsfall allein die Gerichte in Frankreich für die Erteilung des deutschen Erbscheins zuständig.
Dieses (wenig sachgerechte) Ergebnis könnte möglicherweise dadurch vermieden werden, dass an Stelle der allgemeinen Zuständigkeitsregelung (des Art. 4 EuErbVO) eine der anderen Zuständigkeitsregeln (Art. 5 ff EuErbVO) eingreift.
Der Europäische Gerichtshof erwähnt in seiner Entscheidung zwar vor allem die allgemeine Zuständigkeitsregelung des Art. 4 EuErbVO. Dies bedeutet aber nicht, dass die anderen Vorschriften im Kapitel II über die gerichtliche Zuständigkeit nicht auch anwendbar wären. Allenfalls die Zuständigkeitsvorschriften des Art. 5 EuErbVO (Gerichtstandvereinbarung) und des Art. 6 EuErbVO (Unzuständigkeitserklärung bei Rechtswahl) dürften in Erbscheinverfahren nicht gelten. Darauf deutet auch die Regelung zum Europäischen Nachlasszeugnis (in Art. 64 EuErbVO) hin, die nur auf die Zuständigkeitsvorschriften "nach den Artikeln 4, 7, 10 oder 11" verweist (und nicht auf die Art. 5 und 6).
In der Praxis ist daher insbesondere zu prüfen, ob eine Zuständigkeit nach den Art. 7 (Zuständigkeit bei Rechtswahl), Art. 10 (Subsidiäre Zuständigkeit) oder Art. 11 (Notzuständigkeit) in Betracht kommt. Im Ausgangsfall Oberle wäre eine solche Zuständigkeit allerdings nicht ohne weiteres gegeben gewesen.
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Art. 7 EuErbVO: Die gerichtliche Zuständigkeit nach dieser Vorschrift setzt eine Rechtswahl des Erblassers (nach Art. 22 EuErbVO) voraus. Eine erbrechtliche Rechtswahl ist hier aber nicht erfolgt. Der Erblasser hat kein Testament errichtet und wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt. Der Erblasser war zudem ausschließlich französischer Staatsangehöriger, so dass eine Wahl deutschen Erbrechts nicht möglich gewesen wäre. |
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Art. 10 EuErbVO: Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich und damit in einem EU-Mitgliedsstaat (Art. 10 Abs. 1 EuErbVO). Eine subsidiäre Zuständigkeit der deutschen Gerichte käme allenfalls aufgrund der Belegenheit des Nachlassvermögens in Deutschland in Betracht (Art. 10 Abs. 2 EuErbVO). Die Zuständigkeit wäre dann aber auf das in Deutschland belegene Nachlassvermögen beschränkt. Die deutschen Gerichte könnten dann keinen unbeschränkten Erbschein, sondern nur einen (hier auch beantragten) gegenständlich beschränkten Erbschein erteilen (siehe § 352c FamFG). |
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Art. 11 EuErbVO: Die Annahme einer Notzuständigkeit dürfte ausscheiden, da die französischen Gerichte nach der Erbrechtsverordnung zuständig sind. Es liegt somit kein Fall vor, bei dem kein Gericht eines Mitgliedsstaats zuständig ist. |
Im Ergebnis ist die Rechtslage aber sehr unsicher. Die Auslegung der europäischen Zuständigkeitsvorschriften durch die nationalen Nachlassgerichte ist derzeit zudem völlig offen.