Leitsatz
1. Sind in einer letztwilligen Verfügung die gesamten Vermögensgegenstände des Erblassers einzeln den Kindern des Erblassers zugeordnet und weisen diese unterschiedliche Werte auf, so ist regelmäßig eine Erbeinsetzung zu unterschiedlichen Erbquoten anzunehmen. Eine Anordnung von Vorausvermächtnissen und Beibehalten gleicher Erbquoten ist nicht anzunehmen.
2. Soweit der Erblasser sein gesamtes zum Zeitpunkt der Testamentserstellung vorhandenes Vermögen verteilte und alle Zuwendungsempfänger als Erben bezeichnete, ist von einer quotalen Erbeinsetzung auszugehen. Die Quoten richten sich bei einer den Nachlass erschöpfenden Zuwendung nach Vermögensgruppen nach den Wertverhältnissen der einzelnen Vermögensgruppen zum Gesamtvolumen des Nachlasses.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. Juni 2018 – 8 W 198/16
Sachverhalt
Die am 2.3.2014 verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am 22.2.2011 vorverstorben. Aus der Ehe sind die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 als Abkömmlinge hervorgegangen. Die Erblasserin hat am 28.4.2011 vor Notar XXX, Notariat Herrenberg, ein Testament errichtet (Bl. 10 dA), durch das sie ihre Kinder – die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 – mit einem Erbteil von je 1/3 zu ihren Erben berufen hat.
Am 28.08.2012 hat die Erblasserin ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet (Bl. 12 dA):
Zitat
Testament
Mein letzter Wille
Ich XXX
Rentnerin, wohnhaft XXX
geb. am XXX
Die beglaubigte Abschrift im Notariat Herrenberg/Urkundenrolle 1 UR 259/2011 Aktenzeichen 1 ZU 287/2011 verliert hiermit seine Gültigkeit.
Zu meinen Erben berufe ich meine Kinder
1. Meine Tochter Frau XXX wohnhaft XXX geb. am XXX
XXX soll folgende Flurstücke XXX erben.
Flurstücknummern: 402, 403, 1357, 1358, 1359, 1567, 1568, 2720, 2953, 2955, 3009/3,
3012, 3013/1, 3012/2, 3014
2. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. am XXX
XXX soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3, Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 134, 1205, 1287, 1288, 1533, 1617, und Gemarkung 081644 XXX Flurstücknummern 1586, 1617/2, 1617/3, 4106, 4241, 4912, erben.
3. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. XXX
xxx soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3 Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar, sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 669, 670, 671, 1179, 1199, 1200, 1338, 1456 und Gemarkung 081644 XXX erben.
Das Barvermögen soll zu einem Drittel je Kind verteilt werden.
XXX den 28.8.2012
XXX
Durch Schriftsatz an das Notariat I Herrenberg – Nachlassgericht – vom 23.7.2015 haben die Beteiligten Ziff. 1 und 2 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Beteiligte Ziff. 3 mit einem Erbteil von 16,12 %, der Beteiligte Ziff. 1 mit einem Erbteil von 42,41 % und der Beteiligte Ziff. 2 mit einem Erbteil von 41,47 % Erben der Erblasserin geworden sind. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Erblasserin habe ihr notarielles Testament vom 28.4.2011 durch das eigenhändige Testament vom 28.8.2012 in vollem Umfang aufgehoben. Aufgehoben habe sie damit insbesondere die Erbeinsetzung der drei Kinder zu je einem Drittel. Denn dies sei der einzige wesentliche Inhalt des notariellen Testaments vom 28.4.2011 gewesen. Durch das eigenhändige Testament vom 28.8.2012 habe die Erblasserin praktisch ihr gesamtes Vermögen nach Gegenständen unter ihren drei Kindern aufgeteilt. Ein solches Vorgehen sei nach der Rechtsprechung entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig als Erbeinsetzung anzusehen.
Die jeweiligen Erbquoten ergäben sich dann aus dem Verhältnis des Wertes der zugewendeten Vermögensteile zum Wert des gesamten Nachlasses. Die Auslegungsregel des § 2091 BGB sei nicht anwendbar, wenn der Erblasser die Größe der Erbteile ausdrücklich oder mittelbar bestimmt habe. Die ausdrückliche Bestimmung im eigenhändigen Testament, dass das Barvermögen zu einem Drittel je Kind verteilt werden solle, zeige ebenfalls, dass es der Erblasserin auf die Verteilung ihres gesamten Vermögens angekommen sei und sie bezüglich der im Einzelnen zugeordneten Grundstücke keinen Ausgleich zwischen den Kindern gewollt habe. Eine gleichmäßige Erbeinsetzung ihrer Kinder habe sie damit ausgeschlossen. Die Erblasserin habe ihnen – den Beteiligten Ziff. 1 und 2 – wertvollere Teile ihres Vermögens zugedacht als der Beteiligten Ziff. 3. Sie habe gewusst, dass das Grundstück Schatten 3 als innerörtliche Hofstelle wertvoller ist als die landwirtschaftlichen Flächen im Außenbereich. Der Wert sei immer wieder thematisiert worden, unter anderem auch in Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt.
Auch seien im Auftrag der Erblasserin und ihres Ehemannes bereits 1994 Wertgutachten erstellt worden. Hätte die Erblasserin lediglich eine Teilungsanordnung verfügen wollen, wäre die Aufhebung des früheren notariellen Testaments nicht erforderlich gewesen. Der Umstand, dass die Erblasserin einige wenige landwirtschaftliche Grundstücke vergessen beziehungsweise ungenau bezeichnet habe, führe zu keiner anderen Auslegung. Es sei...