VVG § 22; BGB §§ 123, 129
Leitsatz
1. Wegen der weit reichenden Folgen der Ersetzung bestehenden Versicherungsschutzes durch einen neuen Vertrag, muss ein dahingehender Vertragswille – bei Änderung oder Verlängerung eines bestehenden Vertrages – eindeutig zum Ausdruck kommen.
2. Die Anfechtung eines "verlängerten" Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung bei der Verlängerung erfasst nur die Verlängerungsabrede.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.5.2007 – 5 U 590/06
Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei der Beklagten seit dem 1.7.1995 eine für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossenen Risikolebensversicherung. Am 21.3.2003 beantragte er bei der Beklagten ("Neuantrag, Verlängerung") den Abschluss einer Risikolebensversicherung ab 1.4.2003, verneinte die dort gestellten Gesundheitsfragen und erhielt vorläufige Deckung. Im Rahmen ihrer Risikoprüfung erbat die Beklagte einen ergänzten Antrag, auf dem am 4.4.2003 vermerkt war, der Vertrag solle die bisherige Versicherung ersetzen und verlangte einen mit einem Risikozuschlag versehenen neuen Antrag, der bei der Beklagten am 23.5.2003 einging und am 29.5.2003 policiert wurde. Bei dem Versicherungsnehmer war am 16.4.2003 ein Magenkarzinom festgestellt worden, an dem der Versicherungsnehmer am 15.6.2005 verstarb. Die Beklagte hat den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die bezugsberechtigte Ehefrau verlangt nun – aus dem Vertrag vom 1.7.1995 – die Zahlung der Versicherungssumme.
Aus den Gründen
“ … die Klägerin kann auf Grund des am 7.8.1995 abgeschlossenen und wirksamen Versicherungsvertrages, während dessen Laufzeit bis zum 1.7.2005 der Versicherungsfall eingetreten ist, … die versprochene Versicherungssumme beanspruchen. Der am 7.8.1995 abgeschlossene Versicherungsvertrag ist von den Vertragsparteien nicht vollständig aufgehoben und durch den am 29.5.2003 policierten Versicherungsvertrag ersetzt sondern abgeändert worden; daher hat die von der Beklagten ausgesprochene Anfechtung ihrer Vertragserklärung auch von vornherein nur diese Neuregelung erfasst. Unabhängig davon würde die Anfechtung des Versicherungsvertrages vom 29.5.2003 auch die in ihm enthaltene "Ablösung des Versicherungsvertrages vom 7.8.1995 erfassen."
1. Durch die in der Police vom 29.5.2003 zum Ausdruck kommenden Abreden des Versicherungsnehmers und der Beklagten ist kein neuer, eigener Versicherungsvertrag – unter Aufhebung des Versicherungsvertrages vom 7.8.1995 – geschlossen, sondern der Versicherungsvertrag vom 7.8.1995 – im Wesentlichen durch die Vereinbarung einer längeren Laufzeit und einer dem veränderten Risiko angepassten Prämie – abgeändert worden.
a. Treffen Parteien eines Versicherungsvertrages von ihm abweichende Vereinbarungen, so kann es sich um eine Abänderung des bestehenden Vertrages oder aber um dessen Aufhebung und den Abschluss eines neuen Vertrags handeln (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 VVG, Rn 7). Entscheidend für die Frage, ob das eine oder das andere anzunehmen ist, ist der Wille der Parteien, insbesondere der im Versicherungsantrag zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers (vgl. Prölss, a.a.O., § 3 VVG, Rn 7). Die auf den Vertragsabschluss gerichteten Erklärungen der Parteien sind daher gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts auszulegen (vgl. OLG Köln, NVersZ 2002, 469). Dabei kann von dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil ein neuer Versicherungsschein ausgestellt worden ist. Jedoch kann je nach den Umständen des Einzelfalls dafür sprechen, dass ein vollständig neuer Versicherungsantrag gestellt worden ist oder in ihrer Gesamtheit erhebliche Neuregelungen des versicherten Interesses, der Versicherungssumme, der Prämienhöhe und der Versicherungsdauer vereinbart worden sind. Jedoch muss wegen der weit reichenden Folgen der Ersetzung bestehenden Versicherungsschutzes durch einen neuen, eigenen Versicherungsvertrag ein dahingehender Vertragswille deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Hamm, VersR 1979, 413; ÖOGH, VersR 1986, 271; Prölss, a.a.O.; Knappmann in: Prölss/Martin, a.a.O., § 38, Rn 4; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 38, Rn 6).
Daher genügt es für die Annahme des Abschlusses eines neuen Vertrages regelmäßig nicht, wenn unter Wahrung der Vertragsidentität lediglich die bisherige Leistungspflicht des Versicherers inhaltlich oder zeitlich erweitert wird (so wohl BGH, Urt. v. 9.12.1992 – IV ZR 232/91 VersR 1993, 213, 214 unter 2; vgl. i.ü. ÖOGH, VersR 1990, 549; … ).
b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer bloßen Änderung des ursprünglichen Vertrages und nicht von dem Abschluss eines neuen Vertrages auszugehen. …
Auch der Umstand, dass der Antrag vom 21.3.2003 handschriftlich um den Passus "Die Versicherung soll die Vers.-Nr. ersetzen" ergänzt worden ist, lässt nicht auf einen Neuabschluss schließen. (vgl. OLG Hamm, VersR 1980, 137; vgl. den Hinweis von Bruck/Möller, a.a.O., auf eine entsprechende ...