BUZ 90 § 7
Leitsatz
Der Versicherer kann seiner Nachprüfungsentscheidung kein anderes Berufsbild der versicherten Person zu Grunde legen als dasjenige, auf das er sein Leistungsanerkenntnis gestützt hat.
LG Dortmund, Urt. v. 26.10.2006 – 2 O 116/06
Sachverhalt
Der Kläger, der zuletzt Triebfahrzeugführer im Nahverkehr war und in einem Leistungsantrag "Eisenbahn fahren und rangieren, bei betrieblichen Störungen das Fahrzeug in unbefestigtem Gelände (Schotter, sehr hohe Stufen) verlassen" beschrieb, erhielt von der Beklagten nach einem Unfall mit kompliziertem Fußgelenkbruch Berufsunfähigkeitsleistungen. Die Beklagte stellte sie ein, nachdem der Kläger ihr Wiedereingliederungsversuche mitgeteilt hatte.
Aus den Gründen
“ … Die Voraussetzungen, nach denen der Beklagte im Nachprüfungsverfahren nach § 8 seiner Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen nach anerkannter Leistungspflicht seine Leistungen einstellen kann, liegen im Streitfall nicht vor.
Sinn und Zweck sowie Ausgestaltung des in § 8 der Allgemeinen Bedingungen des Beklagten für Berufsunfähigkeitsleistungen näher ausgestalteten Nachprüfungsverfahrens ergeben, dass eine Mitteilung des Versicherers, mit welcher eine Leistungseinstellung nach anerkannter Berufsunfähigkeit erfolgt bzw. angekündigt wird, nur wirksam ist, wenn in ihr nachvollziehbar begründet wird, warum die einmal anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll (vgl. insoweit BGH VersR 1998, 173, 174; OLG Hamm OLGR 2004, 59). Maßgebend im Nachprüfungsverfahren ist der Vergleich des Gesundheitszustands, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zu Grunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung setzt in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung und die aus ihr abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden. Hierzu gehört, dass der Versicherer darlegt, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers mit den Feststellungen und Bewertungen, die er seinem Anerkenntnis zu Grunde gelegt hat, eine nach den Versicherungsbedingungen maßgebliche Besserung ergeben hat (vgl. insoweit BGH VersR 2006, 102; VersR 1999, 958). Die Mitteilung des Versicherers muss also einen Vergleich des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers, wie ihn der Versicherer bei seinem Anerkenntnis zu Grunde gelegt hat mit dem Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zu dem späteren Zeitpunkt enthalten und die sich aus dieser Vergleichsbetrachtung ergebenden berufsbezogenen Folgerungen darstellen (vgl. hierzu Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 46 Rn 194). Kommt es demgegenüber nicht zu einer diese Voraussetzungen erfüllenden – und damit rechtswirksamen – Mitteilung des Versicherers, so besteht die anerkannte Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten (vgl. BGH VersR 1996, 958, 959; VersR 1993, 562 … ).
So liegt der Fall auch hier; die Begründung des Beklagten vom 29.12.2005 genügt den an sie zu stellenden Anforderungen nicht:
Der Beklagte hat nach seiner Begründung vom 29.12.2005 seinem Anerkenntnis vom 2.9.2005 den Entlassungsbericht Dr. M vom 29.7.2005 zu Grunde gelegt, in dem das Berufsbild des Klägers hinsichtlich der es prägenden Einzeltätigkeiten in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers gegenüber dem Beklagten wie folgt beschrieben ist. …
Soweit der Beklagte nunmehr trotz der Einschränkungen des Tauglichkeitsgutachtens vom 11.10.2005, nach denen der Kläger das Laufen im Schotterbett vermeiden solle und nicht tauglich für Kuppeln und Rangieren sei, unter Bezugnahme auf dieses Tauglichkeitsgutachten seine künftige Leistungspflicht mit der Schlussfolgerung verneint, dass diese Tätigkeiten “eher Ausnahmesituationen eines Triebfahrzeugführers darstellen und deshalb nicht einen Berufsunfähigkeitsgrad von mindestens 50 % seiner Teiltätigkeiten medizinisch begründen’ könnten, setzt sich der Beklagte in Widerspruch zu dem Berufsbild des Klägers, wie er es seinem Leistungsanerkenntnis vom 2.92005 selbst zu Grunde gelegt hat.
Es bedarf insoweit auch keiner Überprüfung und Entscheidung durch die Kammer, ob der Beklagte dieses Berufsbild vormals zu Recht seinem Anerkenntnis zu Grunde gelegt hat und zu Recht von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit des Klägers ausgegangen ist. Das Nachprüfungsverfahren darf nämlich nicht dazu führen, Fehleinschätzungen des Versicherers bei Aufnahme seiner Leistung zu korrigieren (vgl. Rixecker, a.a.O., § 46 Rn 202). Entscheidend ist mithin allein, ob sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers gegenüber dem im Anerkenntnis zu Grunde gelegten Zustand entscheidend gebessert hat. Dies hat der Beklagte weder in seinem Schreiben vom 29.12.2005 noch im Prozess hinreichend nachvollziehbar begründet.
Nach alledem hält die Überprüfung der Nachprüfungsentscheidung des Beklagten auf der Grundlage der Begründung vom 29.12.2005 nicht ...