“ … Nach § 338 Nr. 7 StPO ist das angefochtene Urteil als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, weil die Entscheidungsgründe nicht innerhalb des Zeitraums zu den Akten gelangt sind, den § 275 Abs. 1 S. 2 und 4 StPO vorschreibt.
1. Nach 4-tägiger Hauptverhandlung war das vollständige Urteil gem. § 275 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 Fall 1 StPO spätestens sieben Wochen nach dem 2.2.2007 (Verkündung) zu den Akten zu bringen. Die Frist endete am 23.3.2007 (s.u. 2b). Nach dem Eingangsvermerk der Geschäftsstelle ist das vollständige schriftliche Urteil aber erst am 16. Mai 2007 zu den Akten gelangt.
2. Gem. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solangedas Gericht durch einen im Einzelfall nicht vorhersehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. In einem solchen Fall ist das Urteil nach dem Wegfall des Hindernisses mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten zu bringen (BGH StV 1995, 514; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. [2007], § 275 Rn 16). Das ist nicht geschehen:
a) Die Vorsitzende des erkennenden Gerichts (kleine Strafkammer) war vom 12. Februar bis einschließlich 9.4.2007 (Ostermontag) dienstunfähig erkrankt. Das war ein nicht vorhersehbarer unabwendbarer Umstand i.S.d. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO, der sie an der Absetzung des Urteils hinderte (vgl. BGH a.a.O.). Das schriftliche Urteil ist aber erst rund fünf Wochen später – am 26. Arbeitstag ab dem 10.4. – zu den Akten gelangt.
b) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte die Erkrankung der Richterin den Fristenlauf nicht gehemmt oder unterbrochen. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, nach dem die Urteilsabsetzungsfrist durch ein Hindernis i.S.d. § 275 Abs. 1 S. 4 StPO “überschritten’ wird, aber auch dem Gesetzeszweck. Die Fristen des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO sind Höchstfristen (BVerfG NJW 2006, 677, 679 [re. Sp.]; BGH NStZ 1992, 398 = wistra 1992, 195; NStZ 2006, 463), die auf der “Erfahrung nachlassender Erinnerung’ beruhen (BGH NJW 2007, 2419 [58]; BGH NStZ 1992, 398; StV 1998, 477; OLG Celle Nds.Rpfl. 1993, 133 [1.]; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl. [2001], § 275 Rn 2; Engelhardt, in: KK, 5. Aufl. [2003], § 275 StPO Rn 38; Schlüchter/Frister, SK-StPO, § 275 [2005], Rn 1). Der Gesetzeszweck, dass die Erinnerung des Richters an das Ergebnis der Hauptverhandlung und der Beratung bei der Abfassung des Urteils möglichst frisch sein soll, würde unterlaufen, wenn die Urteilsabsetzungsfrist um Zeiten verlängert würde, die unter § 275 Abs. 1 S. 4 StPO fallen.
c) Die Belastung (Überlastung) der Strafkammervorsitzenden ab dem 10. April durch andere Dienstgeschäfte war kein Grund, der die Verspätung bei der Absetzung des Urteils rechtfertigen konnte (vgl. BGH wistra 2003, 311, 312 m.w.N.; OLG Celle Nds.Rpfl. 1993, 133 [2.]). … .“
Mitgeteilt von VRiOLG Claudia Neuhaus, Düsseldorf