EG Art. 288; Richtlinie 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2; Art 7 Abs. 1, 5; Art. 8 Abs. 2, 4; Art. 9; BGB 839; FeV §§ 11, 28 Abs. 4, 46 Abs. 3, 5
Leitsatz
Ergibt sich aus einem Führerschein, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ausgestellt worden ist, dass der Inhaber, dessen Fahrerlaubnis zuvor in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs entzogen worden ist, seinen Wohnsitz bei Erteilung der Fahrerlaubnis nicht im Ausstellermitgliedstaat hatte, sind die hiesigen Behörden bei fortbestehenden Eignungszweifeln nicht nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG verpflichtet, die Fahrerlaubnis im Inland anzuerkennen (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 26.6.2008 – verbundene Rechtssachen C-329/06 und C-343/06 [zfs 2008, 473] = NJW 2008, 2403).
BGH, Urt. v. 11.9.2008 – III ZR 212/07
Sachverhalt
[1] Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, macht gegen den beklagten Freistaat Schadenersatzansprüche geltend, weil ihm für einen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr das Recht aberkannt worden war, von seiner in der tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
[2] Dem Kläger wurde durch Strafbefehl vom 23.10.1995 die Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen; sie wurde ihm nach Ablauf der Sperrfrist am 23.5.1996 für die Führerscheinklasse 2 wieder erteilt. Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde dem Kläger durch Strafurt. v. 15.5.2001 die Fahrerlaubnis erneut entzogen und eine Sperrfrist von 10 Monaten verhängt. Am 25.1.2002 beantragte der Kläger die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Da er der behördlichen Aufforderung nicht nachkommen wollte, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nahm er seinen Antrag im November 2002 zurück. Am 23.9.2004 erwarb der weiterhin in Deutschland lebende Kläger in der tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B. Nachdem das Landratsamt hiervon am 3.5.2005 Kenntnis erhalten hatte, forderte es den Kläger erneut auf, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Da der Kläger dies ablehnte, erkannte ihm die Behörde mit Bescheid vom 4.7.2005 das Recht ab, von der tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Der Kläger nahm gegen den gleichzeitig angeordneten Sofortvollzug erfolglos einstweiligen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch. Seine Klage vor dem VG erledigte sich in der Hauptsache dadurch, dass das Landratsamt am 26.6.2006 seinen Bescheid vom 4.7.2005 im Hinblick auf den Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 6.4.2006 (Rs. C-227/05 – Halbritter/Freistaat Bayern – [zfs 2006, 416 =] NJW 2006, 2173) zurücknahm.
[3] Mit seiner Klage verlangt der Kläger eine Entschädigung von 40 EUR täglich (insgesamt 14.840 EUR) für die Aberkennung der Möglichkeit, von seiner Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, sowie Ersatz der ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen Kosten von 871,51 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 871,51 EUR nebst Zinsen entsprochen. Der Beklagte erstrebt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, während der Kläger seine Klage in vollem Umfang weiterverfolgt.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „I. [4] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in OLGR München 2007, 976 abgedr. ist, ist der Auffassung, das Landratsamt habe sich amtspflichtwidrig verhalten, indem es vom Kläger nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis in Tschechien die Beibringung eines Gutachtens nach § 11 FeV zum Nachweis seiner Fahreignung verlangt und ihm, nachdem er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, durch Bescheid vom 4.7.2005 das Recht aberkannt habe, von der tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Das Verschulden des Beklagten liege darin, dass die Vollzugsanordnung des Ministeriums des Innern vom 14.7.2004 ersichtlich nicht mit der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein (AblEG Nr. L 237 S. 1) vereinbar gewesen sei. Denn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe bereits mit seinem Urt. v. 29.4.2004 (Rs. C-467/01 – Kapper – Slg. 2004, I-5225 = [zfs 2004, 287 =] NJW 2004, 1725) ausgeführt, dass die Richtlinie in Art. 1 Abs. 2 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vorsehe und dass die in Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie eröffnete Möglichkeit, vom Grundsatz der vorbehaltlosen gegenseitigen Anerkennung abzusehen, wegen der Gefahr der Aushöhlung dieses Grundsatzes eng auszulegen sei und insbesondere nicht den Fall erfasse, dass in einem anderen Mitgliedstaat ein Führerschein – wie hier – nach Ablauf der Sperrfrist ausgestellt werde. Dementsprechend sei der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten von 871,51 EUR zu erstatten. Demgegenüber könne der...