1) Die erstmalige Geltendmachung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz kann auf Übersehen der Verjährung in der ersten Instanz, möglicherweise auch auf einen Irrtum über die rechtliche Einordnung der Forderung und deren Verknüpfung mit einer bestimmten Verjährungsfrist beruhen (vgl. BGH NJW 1998, 612; BGH GRUR 2006, 401; Meller-Hannich, NJW 2006, 3385). Auch prozesstaktische Erwägungen können dazu führen, dass die sehr wohl erkannte Möglichkeit der erfolgreichen Erhebung einer Verjährungseinrede nicht gewählt wird. Wird etwa in einem Pilotprozess eine Klärung der Rechtsfragen angestrebt, die bei einer erfolgreichen Verjährungseinrede offen blieben, liegt ein Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede nahe.
Dem Richter, der an einer arbeitssparenden Entscheidung interessiert ist, stehen nur begrenzte Möglichkeiten zur Einführung der Verjährungseinrede zur Verfügung. Bei einem Hinweis auf die Möglichkeit der Verjährungseinrede setzt er sich der Gefahr aus, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt zu werden. Ob diese Möglichkeit Aussicht auf Erfolg hat, gehört zu den umstrittensten Fragen des Zivilprozessrechts (vgl. die Nachweise bei Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 42 Rn 2).
2) Nachdem der BGH in einer Entscheidung des IX Zivilsenates vom 18.11.2004 festgestellt hatte, dass neuer unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sei, was selbst dann gelte, wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich werde (NJW 2005, 291), war die Antwort auf die Frage, ob die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede bei unstreitiger Tatsachengrundlage zuzulassen sei, vorgezeichnet. Diese Weichenstellung des IX Zivilsenats, der sich weitere Senate des BGH angeschlossen hatten, ging davon aus, dass unstreitiges Vorbringen, selbst dann, wenn es erst in der Berufung Prozessstoff geworden ist, kein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO ist. Bereits dies rechtfertigt es, die Verjährungseinrede zuzulassen, weil sowohl die Tatsachengrundlage der Verjährungseinrede wie deren Geltendmachung unstreitig sind. Die Ausführungen des Großen Zivilsenates zu der Aufgabe des Berufungsverfahrens, dem weiterhin auch die Fehlerkontrolle hinsichtlich der Tatsachenfeststellung obliege und das deshalb nicht sehenden Auges eine materiell unrichtige Entscheidung auf der Grundlage eines von keiner Partei mehr vertretenen Sachverhaltes treffen dürfte, überzeugen. Prozessrecht darf nicht dazu führen, dass ein Gericht einen Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde legt, den keine Partei (mehr) vorträgt, und bewusst eine materiell unrichtige Entscheidung trifft.
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt am Main