GVG § 132 Abs. 2; ZPO § 531 Abs. 2
Leitsatz
Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig sind.
BGH, Beschl. v. 23.6.2008 – GSZ 1/08
Sachverhalt
Der Kläger hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verfolgt. Der Kläger hatte der Hauptschuldnerin einen Kredit gewährt, für den der Beklagte eine Höchstbetragsbürgschaft übernahm. Nachdem der Kredit gekündigt wurde, ordnete der Kläger von dem Beklagten Zahlung in Höhe des Bürgschaftsbetrages. Nach Erhebung der Klage gegen den die Zahlung verweigernden Beklagten lief die Verjährungsfrist hinsichtlich der Hauptforderung ab. Das LG verurteilte den Bürgen antragsgemäß. Erst in der Berufungsinstanz berief sich der Beklagte auf die Verjährung der Hauptforderung. Das Berufungsgericht wies dieses Vorbringen als verspätet zurück, da es ein neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO darstelle und die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Zulassung nicht vorlägen.
Das Revisionsgericht, der XI Zivilsenat des BGH will die Verjährungseinrede unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zulassen, was zum Erfolg der Revision und zur Abweisung der Klage führte. Hieran sieht sich der XI Zivilsenat durch ein Urteil des X Zivilsenats gehindert, nach dem die erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Verjährungseinrede auch bei unstreitiger Tatsachengrundlage nur zuzulassen ist, wenn eine der hier nicht erfüllten Ausnahmetatbestände der Nr. 1 bis 3 des § 531 Abs. 2 ZPO vorliegen (GUR 2006, 401, 404). Nachdem der X Zivilsenat mitteilte, er halte an seiner Rechtsauffassung fest, hat der XI Zivilsenat in einem Vorlagebeschluss (NJW 2008, 1312) dem Großen Senat für Zivilsachen folgende Rechtsfrage vorgelegt:
"Ist die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede auch dann unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind?"
Der Große Zivilsenat folgte der Auffassung des XI Zivilsenats und verneinte die Vorlagefrage.
Aus den Gründen
Aus den Gründen:„ … [9] B. II. Der Große Senat verneint die Vorlagefrage des XI Zivilsenats. § 531 Abs. 2 ZPO ist auf die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede nicht anzuwenden, wenn zwischen den Parteien sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind.
[10] 1. Nach gefestigter Rspr. des BGH sind unstreitige Tatsachen, die erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen werden, unabhängig von den Zulassungsvoraussetzungen des § 531 ZPO zu berücksichtigen. Aus der den Zweck des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ergibt sich, dass unter “neue Angriffs- und Verteidigungsmittel’ i.S.d. § 531 ZPO lediglich streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne Weiteres zu Grunde zu legen (BGHZ 161, 138, 141 ff.; = NJW 2005, 291; BGHZ 166, 29, 31 = NJW-RR 2006, 630 Rn 6; BGH NJW-RR 2995, 437 = MW 2005, 295, 296; FamRZ 2005, 1555, 1557 = BeckRS 2005, 08881; NJW 2006, 298, 299, Rn 19, NJW 2008, 68 = WM 2007, 1933, 1938, Rn 63; NJW-RR 2006, 755 = WM 2006, 1115 Rn 5). Die in der Literatur daran geübte Kritik (vgl. Ostermeier, ZZP 120 [2007], 219 ff.) gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Dabei kann hier offen bleiben, ob das neue unstreitige Vorbringen auch dann zuzulassen ist, wenn infolge seiner Berücksichtigung eine bis dahin nicht notwendige Beweisaufnahme erforderlich wird (so BGHZ 161, 138, 144).
[11] 2. Danach ist auch unstreitiger Tatsachenvortrag zu berücksichtigen, der der erstmals in der Berufung erhobenen Einrede der Verjährung zu Grunde liegt. Für die unstreitige Einrede selbst gilt nichts anderes (so auch: BGHZ 166, 29, 31, = NJW-RR 2006, 630 Rn 6; BGH NJW 2006, 298, 299 Rn 19; OLG Naumburg NJOZ 2005, 3651 = OLG-Report 2006, 141 f.; OLG Karlsruhe, OLG-Report 2006, 526 [528] = BeckRS 2006, 04933; OLG Hamm, Urt. v. 23.2.2006 – 28 U 217/04, BeckRS 2006, 03935; OLG Stuttgart BKR 2006, 280, 285; OLG Celle NJW-RR 2006, 1530, 1531; OLG Köln, Urt. v. 20.12.2006 – 17 U 103/04, BeckRS 2007, 01443; OLG Schleswig, Urt. v. 21.12.2006 – 5 U 101/06, S. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 6. Aufl., § 531 Rn 13; Rimmelspacher, in: MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 531 Rn 28; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 214 Rn 3; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 531 Rn 10, 13 Nr. 3; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl., Rn 476; Meller-Hannich, NJW 2006, 3385, 3386 ff.; Noethen, MDR 2006, 1024, 1026 f.; Rixecker, NJW 2004, 705, 707).
[12] Die dagegen vorgebrachten Be...