EWGRL 91/439 Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 4; FeV § 28 Abs. 4 Satz 2
1. Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit über die Erteilung einer Fahrerlaubnis oder die Ausstellung eines Führerscheins in der Tschechischen Republik sind grundsätzlich als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen i.S.d. Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 26.6.2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06 [zfs 2008, 473] sowie C-334/06 bis C-336/06) anzusehen.
2. Ist der Aufnahmemitgliedstaat berechtigt, eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen, so berechtigt ein später in diesem Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein den Inhaber nur dann zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland, wenn vor der Ausstellung eine erneute Prüfung der Fahreignung des Betroffenen erfolgt ist.
3. § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV ist auf den Fall entsprechend anwendbar, dass ein (Ersatz-) Führerschein den Inhaber wegen des Fehlens einer vorangegangenen Überprüfung seiner Fahreignung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt.
4. Auch nach der neuesten Rspr. des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG (Beschl. v. 9.7.2009, C-445/08 [DAR 2009, 637]) sind Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates berechtigt, bei Behörden des Ausstellermitgliedstaates Informationen über die Umstände der Erteilung einer Fahrerlaubnis einzuholen. Es ist Sache des nationalen Gerichts des Aufnahmemitgliedstaates zu prüfen, ob die erlangten Informationen als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen zu qualifizieren sind.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.10.2009 – 10 S 2024/09
Aus den Gründen:
“ … Auch im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit des feststellenden Verwaltungsakts vom 17.6.2009 auszugehen. Das über die bloße Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes hinausgehende besondere Vollzugsinteresse (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.3.1997 – 13 S 1132/96 –, VBIBW 1997, 390) folgt hier aus dem vorrangigen öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs. Durch den Sofortvollzug der Entscheidung wird ausgeschlossen, dass der Antragsteller mithilfe des am 3.9.2008 ausgestellten tschechischen Führerscheins den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, im Bundesgebiet zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs der Klasse B berechtigt zu sein.
Gegenstand der Entscheidung des Landratsamtes A-Kreis vom 17.6.2009 ist der Sache nach, ungeachtet der auf eine ‘Fahrerlaubnis’ gerichteten Tenorierung, der dem Antragsteller am 3.9.2008 in der Tschechischen Republik ausgestellte (Ersatz-)Führerschein. Über die (Nicht-) Anerkennung der diesem Führerschein zugrunde liegende Fahrerlaubnis im Bundesgebiet hat das Landratsamt bereits am 18.8.2008 entschieden. Die Ermächtigungsgrundlage für den feststellenden Verwaltungsakt vom 17.6.2009 folgt aus einer entsprechenden Anwendung des auf Fahrerlaubnisse bezogenen § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV.
Der dem Antragsteller in der Tschechischen Republik am 3.9.2008 ausgestellte – zweite – Führerschein nennt auf der Seite 1 in der Rubrik 4b das Datum ‘3.9.2018’. Aus dieser Angabe folgt aber entgegen der Beschwerdebegründung nicht, dass es sich bei diesem Führerschein ‘um einen völligen Neuerwerb einer Fahrerlaubnis gehandelt’ hat. Der zweiseitige tschechische Führerschein entspricht den Vorgaben des Anhangs 1a der Richtlinie 91/439/EWG. Danach betrifft die Angabe in der Rubrik 4b das Datum, an dem der Führerschein ungültig wird. Vom Führerschein ist aber das diesem Dokument zugrunde liegende Recht zu unterscheiden, Kraftfahrzeuge einer bestimmten Klasse führen zu dürfen. In der deutschen Fassung der Richtlinie 91/439/EWG wird diese Befugnis als ‘Fahrerlaubnis’ bezeichnet. Dies entspricht der innerstaatlichen Rechtslage (vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 StVG sowie § 22 Abs. 4 Satz 7 und § 25 FeV). Aber auch z.B. in der englischen Fassung dieser Richtlinie, die sprachlich grundsätzlich nicht zwischen dem Recht und dem diese Befugnis bescheinigenden Dokument unterscheidet (‘driving licence’), kommt diese Differenzierung zum Ausdruck. Dies zeigt sich insbesondere bei den Vorgaben zur Rubrik 10 des EG-Musters des Führerscheins nach Anhang 1a der Richtlinie 91/439/EWG. Danach ist nach der deutschen Fassung der Richtlinie für jede (Unter-)Klasse das Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung anzugeben, das bei jeder späteren Ersetzung oder jedem späteren Umtausch erneut einzutragen ist. Ersetzung und Umtausch beziehen sich dabei nicht auf die unverändert bestehende Befugnis (Fahrerlaubnis), sondern auf das diese Berechtigung belegende Dokument (Führerschein), das Veränderungen unterworfen ist. Die Trennung zwischen dem Recht und dem Dokument kommt in der englischen Fassung der Richtlinie durch die Formulierung ‘date of firs...