BGB § 305 § 307; AFB § 5; VLS B § 12

Eine Klausel in der Neuwertversicherung, wonach Versicherungswert der Zeitwert der versicherten Sache ist, wenn dieser weniger als 40 % des Neuwerts beträgt (sog. Entwertungsgrenze), ist wirksam.

BGH, Urt. v. 30.9.2009 – IV ZR 47/09

I. Der Kläger unterhält für seinen landwirtschaftlichen Betrieb eine Inhaltsversicherung gegen das Risiko "Feuer". Der Versicherungsschein weist eine Versicherung zum Neuwert aus. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe (VLS 2003) Teil A und B zu Grunde. Teil B lautet auszugsweise wie folgt:

“§ 12 Versicherungswert

1. Betriebseinrichtung

Versicherungswert der kaufmännischen und technischen Betriebseinrichtung … ist

a) der Neuwert …

b) der Zeitwert; falls er weniger als 40 % des Neuwerts beträgt oder falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist; der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert der Sache durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad und das Alter bestimmten Zustand; … ”

Am 9.3.2007 wurde ein Dosierladewagen (Baujahr 1978) infolge eines Brandes beschädigt und nachfolgend durch einen neuen landwirtschaftlichen Anhänger ersetzt. Die Beklagte erbrachte angesichts des Alters des Dosierladewagens auf Basis des Zeitwertes eine Versicherungsleistung in Höhe von 2.500 EUR. Der Kläger strebt eine Regulierung zum Neuwert an.

Aus den Gründen:

[10] "… II. 1. Der Kläger und sein Bruder haben bei der Beklagten grundsätzlich eine Versicherung zum Neuwert abgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen sehen allerdings eine sog. Entwertungsgrenze vor, und zwar dann, wenn der Zeitwert weniger als 40 % des Neuwerts beträgt. In diesem Falle ist Versicherungswert ausschließlich der Zeitwert, ohne dass sich daraus die vom BG geäußerten Bedenken ergeben."

[11] 2. Das BG hat im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass der Neuwert als Versicherungswert vereinbart werden kann (vgl. schon BGHZ 103, 228, 232 ff.). Ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot im Sinne eines allgemeinen und zwingenden, die Neuwertversicherung einschränkenden Rechtssatzes ist darin nicht zu sehen. Feste Entwertungsgrenzen oder Entwertungsgrenzen überhaupt lassen sich nicht aufstellen; diese sind insbesondere § 55 VVG a.F. nicht zu entnehmen (grundlegend Senat in BGHZ 137, 318, 323 ff. … ).

[12] Maßgeblich ist vielmehr allein das konkrete Leistungsversprechen des Versicherers, das hier auf eine Versicherung zum Neuwert gerichtet ist und an dem er sich festhalten lassen muss. Das bedeutet indes nicht, dass der Versicherer bei einer solchen Versicherung seine Interessen, die vor allem in der Begrenzung des subjektiven Risikos liegen, nicht dennoch – wie seitens der Beklagten geschehen – durch die Vereinbarung von AVB mit bestimmten Entwertungsgrenzen und/oder Wiederherstellungsklauseln wahren kann (BGHZ 137 a.a.O., 327 f.).

[13] 3. Die mit dem Kläger und seinem Bruder vereinbarte Entwertungsgrenze stellt dabei entgegen der Ansicht des BG keine überraschende Klausel dar und ist wirksam Vertragsbestandteil geworden. Eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB ist allein dann anzunehmen, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muss eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht …

[14] Davon ist für § 12 Nr. 1a VLS 2003 i.V.m. § 14 Nr. 1a VLS 2003 nicht auszugehen.

[15] a) In § 1 Nr. 1a VLS 2003 verspricht die Beklagte zunächst Versicherungsschutz für alle beweglichen Sachen, soweit der Versicherungsnehmer Eigentümer ist oder diese unter Eigentumsvorbehalt erworben hat. Zu diesen beweglichen Sachen gehört nach § 1 Nr. 1b VLS 2003 neben der kaufmännischen Betriebseinrichtung auch die technische Betriebseinrichtung. Die Beklagte leistet für die danach versicherten Sachen eine Entschädigung, wenn diese durch die versicherte Gefahr ‘Feuer’ zerstört oder beschädigt worden sind (Versicherungsfall), wie der Versicherungsnehmer § 3 Nr. 1a i.V.m. § 4 VLS 2003 entnehmen kann.

[16] b) Wie sich nach Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles die Entschädigung im Einzelnen berechnet, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 14 Nr. 1 VLS 2003. Dabei wird zwischen zerstörten bzw. abhanden gekommenen und beschädigten Sachen unterschieden. Für zerstörte Sachen ist der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblich, wobei in § 14 Nr. 1a aa auf § 12 VLS 2003 Bezug genommen wird, der mit ‘Versicherungswert’ überschrieben ist. Bei beschädigten Sachen sind die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles bestimmend; diese werden gekürzt, soweit durch die Reparatur der Versicherungswert gegenüber dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles erhöht wird. Das ergibt sich aus § 14 Nr. 1a bb VLS 2003, wobei in der Klausel ebenfalls vom ‘Versicherungswert’ die Rede ist, wenn auch ...

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