"… II."
[10] Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
[11] 1. a) Der Bekl. macht zu Unrecht geltend, dass die Klagen verfristet sind, soweit die Verkehrszeichen vor dem 8. September 2004 aufgestellt wurden. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die wegen des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung einjährige Rechtsmittelfrist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO) gegenüber dem Kl. nicht schon mit dem Aufstellen der Verkehrszeichen zu laufen begann, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem er erstmals auf diese Verkehrszeichen traf.
[12] Das Lkw-Überholverbot nach Zeichen 277, das wie andere Verkehrsverbote und -gebote ein Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 S. 2 VwVfG ist (stRspr seit den Urt. v. 9.6.1967 – BVerwG 7 C 18.66 – BVerwGE 27, 181 <182>und v. 13.12.1979 – BVerwG 7 C 46.78 – BVerwGE 59, 221 <224>), wird gem. § 43 VwVfG gegenüber demjenigen, für den es bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem es ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-)Vorschriften der StVO durch Aufstellen des Verkehrsschildes (vgl. insb. § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon “mit einem raschen und beiläufigen Blick’ erfassen kann (BGH, Urt. v. 8.4.1970 – III ZR 167/68 – NJW 1970, 1126 f.), äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (Urt. v. 11.12.1996 – BVerwG 11 C 15.95 – [zfs 1997, 196 =] BVerwGE 102, 316 <318>). Das gilt unabhängig davon, ob die Bekanntgabe in Form starrer Verkehrszeichen erfolgt oder mithilfe der Anzeige über eine Streckenbeeinflussungsanlage oder einen Prismenwender (vgl. Urt. v. 23.9.2010 – BVerwG 3 C 37.09).
[13] Damit ist nicht gesagt, dass auch die Anfechtungsfrist gegenüber jedermann bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens in Gang gesetzt wird. Diese Frist wird vielmehr erst dann ausgelöst, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht. Jedes andere Verständnis geriete in Konflikt mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, die es verbietet, den Rechtsschutz in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Liefe die Anfechtungsfrist für jedermann schon mit dem Aufstellen des Verkehrsschildes, könnte ein Verkehrsteilnehmer, der erstmals mehr als ein Jahr später mit dem Verkehrszeichen konfrontiert wird, keinen Rechtsschutz erlangen; denn bis zu diesem Zeitpunkt war er an der Einlegung eines Rechtsbehelfs mangels individueller Betroffenheit (§ 42 Abs. 2 VwGO) gehindert, danach würde ihm der Ablauf der einjährigen Anfechtungsfrist entgegengehalten. Dieses Rechtsschutzdefizit wird auch durch die Möglichkeit, ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu beantragen, nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise ausgeglichen, dies schon wegen der besonderen Voraussetzungen, die § 51 VwVfG an einen solchen Rechtsbehelf stellt.
[14] Dem Urt. des BVerwG v. 11.12.1996 (a.a.O.) lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen (so aber VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.3.2009 – 5 S 3047/08 – JZ 2009, 738). Es stellt ausdrücklich klar, dass es nicht im Widerspruch zur Aussage des BVerwG in seinem Urt. v. 13.12.1979 (a.a.O.) stehe, wonach ein Verkehrsteilnehmer von dem Verwaltungsakt erst dann betroffen werde, “wenn er sich (erstmalig) der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht’. Dass in dem Urt. aus dem Jahre 1996 die Bekanntgabe nach den Vorschriften der StVO als eine besondere Form der öffentlichen Bekanntmachung bezeichnet wird, zwingt ebenso wenig zu dem Schluss, dass auch die Anfechtungsfrist für jedermann mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens zu laufen beginnt; denn es handelt sich – wie dort zutreffend ausgeführt wird – um eine “besondere’ Form der öffentlichen Bekanntmachung, die von der Wirkung anderer Formen öffentlicher Bekanntmachung durchaus abweichen kann.
[15] Entgegen der Auffassung des Kl. beginnt die gem. § 58 Abs. 2 VwGO einjährige Rechtsbehelfsfrist allerdings nicht erneut zu laufen, wenn sich derselbe Verkehrsteilnehmer demselben Verkehrszeichen ein weiteres Mal gegenübersieht. Das Verkehrsge- oder -verbot, das dem Verkehrsteilnehmer bei seinem ersten Herannahen bekannt gemacht wurde, gilt ihm gegenüber fort, solange dessen Anordnung und Bekanntgabe aufrechterhalten bleiben. Kommt der Verkehrsteilnehmer erneut an diese Stelle, hat das Verkehrszeichen für ihn nur eine erinnernde Funktion. Daraus, dass Verkehrszeichen gleichsam an die Stelle von Polizeivollzugsbeamten treten (so etwa Beschl. v. 7.11.1977 – BVerwG 7 B 135.77 – NJW 1978, 656), kann der Kl. nichts anderes herleiten. Trotz der Funktionsgleichheit und wechselseitigen Vertauschbarkeit einer Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen einerseits und ...