VV RVG Nr. 2300, 2302 VV RVG
Leitsatz
Die für ein Abschlussschreiben (Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung) entstehende Geschäftsgebühr ist im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 RVG VV zu berechnen.
BGH, Urt. v. 4.2.2010 – I ZR 30/08
Sachverhalt
Die Beklagte hatte nach Abmahnung gegen die Klägerin beim LG Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Klägerin untersagt wurde, ein bestimmtes Buch zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Gegen diese einstweilige Verfügung hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt. Diesen nahm sie in der mündlichen Verhandlung wieder zurück. Hieraufhin fertigten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein sog. Abschlussschreiben. Dem kam die Klägerin durch Abgabe der verlangten Abschlusserklärung nach, die den Forderungen der Beklagten im Wesentlichen entsprach.
In dem Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung vor dem LG Hamburg erwirkte die Beklagte nach Erlass der einstweiligen Verfügung einen Kostenfestsetzungsbeschluss und im Anschluss an die mündliche Verhandlung einen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss. In beiden Beschlüssen, die rechtskräftig geworden sind, wurde jeweils eine 1,3 Verfahrensgebühr nach dem Streitwert von 250.000 EUR festgesetzt. Die Klägerin glich die festgesetzten Kostenbeträge vollständig aus. Hieraus ergab sich auf Grund der doppelten Festsetzung der Verfahrensgebühr unstreitig eine Überzahlung von 2.762,44 EUR (2.667,60 EUR nebst Zinsen) an die Beklagte.
Gegenüber dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit den von ihr für die Abmahnung und das Abschlussschreiben geltend gemachten Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage des vom LG Hamburg im Verfügungsverfahren festgesetzten Streitwertes. Für die Abmahnung hatte die Beklagte unter Berücksichtigung der teilweisen Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG eine 0,65 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG geltend gemacht, für das Abschlussschreiben eine weitere 1,3 Geschäftsgebühr nach dieser Vorschrift. Rückzahlungsanspruch und die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche waren Gegenstand des vor dem AG Hamburg begonnenen Rechtsstreits, der im Revisionsverfahren an den BGH gelangte.
2 Aus den Gründen:
[9] I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von 773,04 EUR aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zuerkannt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen, weil die Beklagte mit einem Gegenanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Höhe von 1.989,40 EUR wirksam aufgerechnet habe.
[13] II. Das angefochtene Urteil hält sowohl den Angriffen der Revision als auch denjenigen der Anschlussrevision stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte für die Fertigung des Abschlussschreibens vom 20.2.2007 gem. Nr. 2302 RVG VV nur eine Geschäftsgebühr in Höhe von 0,3 zuzüglich 20 EUR Postgebührenpauschale erstattet verlangen kann. Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision ist es der Beklagten nicht verwehrt, mit ihren Aufwendungsersatzansprüchen aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG und §§ 677, 683, 670 BGB gegen den unstreitigen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2.762,44 EUR aufzurechnen.
[14] 1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ursprünglich einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 2.762,44 EUR hatte.
[19] d) Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 2.762,44 EUR jedoch als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Zwischen den Parteien des Verfügungsverfahrens bestand ein Schuldverhältnis in Form eines Prozessrechtsverhältnisses (vgl. BGH NJW 2009, 3102 Tz 9; MDR 2010, 165 Tz 9). Aus dieser Sonderverbindung hatte die Beklagte die Verpflichtung, bei den von ihr beantragten Kostenfestsetzungen erstattungsfähige Gebühren nicht doppelt in Ansatz zu bringen. Dagegen hat sie verstoßen, da die im Kostenfestsetzungsantrag vom 23.1.2007 enthaltene Verfahrensgebühr in Höhe von 2.667,60 EUR bereits Gegenstand des Kostenfestsetzungsantrags vom 5.12.2006 und des hierauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 18.12.2006 war. Das Verschulden der Beklagten wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet und ist daher von ihr zu widerlegen. Anhaltspunkte dafür, dass die doppelte Beantragung der Verfahrensgebühr zur Festsetzung ohne Verschulden der Beklagten oder ihrer Prozessbevollmächtigten, deren Verhalten sie sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, erfolgte, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
[20] Gem. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden zu ersetzen. Der Umfang der Ersatzpflicht richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat der Schuldner des Schadensersatzanspruchs den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Danach schuldet die Beklagte der Klägerin die Erstattung des von dieser zu viel gezahlten Betrags, der sich unstreitig auf 2.762,44 EU...