Die Entscheidung des OLG Nürnberg, gegen die die zugelassene Revision nicht eingelegt wurde, offenbart einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Abgeltungsbereich der Geschäftsgebühr in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und der in Nr. 2300 VV RVG geregelten Geschäftsgebühr.
Auftrag maßgeblich
Entscheidend für die Einordnung der anwaltlichen Tätigkeit ist stets der dem Anwalt erteilte Auftrag. Es kommt somit nicht darauf an, welche Tätigkeiten der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags entfaltet hat. Dies hat allenfalls bei Rahmengebühren Einfluss auf die Gebührenhöhe. So entsteht bspw. die 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG nur dann, wenn sich der Auftrag auf die Fertigung eines Schreibens einfacher Art beschränkt, so bereits BGH NJW 1983, 2451 = JurBüro 1983, 1498 = AnwBl 1983, 512 für die Vorgängerregelung des § 120 Abs. 1 BRAGO, was der BGH RVGreport 2010, 382 (Hansens) übersehen hat. Deshalb ist der Ausgangpunkt der Argumentation des OLG Nürnberg so nicht richtig, die Geschäftsgebühr erfordere, dass der Anwalt nach außen hin tätig werde. Erteilt der Mandant dem Auftraggeber einen Vertretungsauftrag, so erhält der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG jedenfalls in Höhe des Mindestsatzes von 0,5, wenn der Auftrag sich erledigt, bevor der Rechtsanwalt irgendeine nach außen hin wirkende Tätigkeit entfaltet hat. Das Argument des OLG Nürnberg, aus dem "Betreiben des Geschäfts" folge, dass der Anwalt nach außen hin tätig werden soll, überzeugt mich deshalb nicht. Auch die Verfahrensgebühr entsteht nämlich nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG "für das Betreiben des Geschäfts", fällt aber gleichwohl auch dann an, wenn der Anwalt den Mandanten im Rahmen des Prozessauftrags lediglich berät oder sonstige, nicht nach außen hin wirkende Tätigkeiten ausübt. In einem solchen Fall entsteht nicht etwa eine Beratungsgebühr, sondern eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG.
Das Problem des hiesigen Falles lag allerdings darin, dass der Kl. seiner Rechtsanwältin keinen eindeutigen Vertretungsauftrag, sondern – jedenfalls zunächst – einen Auftrag zur Prüfung seiner Ansprüche gegen den Bekl. erteilt hat. Dies kann – wovon das OLG ausgegangen ist – einen Beratungsauftrag darstellen.
Das OLG Nürnberg hat jedoch nicht geprüft, ob der Kl. den Beratungsauftrag dahin erweitert hat, das später von ihm selbst unterzeichnete Mahnschreiben vorzuformulieren. Die Beratungsangelegenheit war nämlich mit der Erteilung des Rechtsrates beendet. Im Rahmen eines Beratungsauftrags soll der Anwalt dem Mandanten die für die Beurteilung oder Auffassung einer Rechtsangelegenheit bedeutsame Empfehlung geben, wie sich der Auftraggeber in einer bestimmten Lage verhalten soll, so BGH BGHZ 7, 351. Die erbetene "Prüfung" geht einer solchen Raterteilung vor. Den Rechtsrat hatte die Anwältin dem Kl. dann im Anschluss an die Prüfung erteilt. Die Vorformulierung eines Mahnschreibens kann nicht mehr als Rat angesehen werden kann. Die der Beratung nachfolgende Tätigkeit der Anwältin kann also durchaus im Rahmen eines die Geschäftsgebühr auslösenden Vertretungsauftrages erfolgt sein. Dies setzte voraus, dass die Anwältin den Kl. auftragsgemäß nach außen hin vertreten sollte. Kommt es im Rahmen eines Vertretungsauftrages nicht zu einer nach außen hin erkennbaren Anwaltstätigkeit, so fällt gleichwohl eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG an.
Beratungsgebühr und Anrechnung
Hatte der Kl. seiner Anwältin tatsächlich nur einen Beratungsauftrag erteilt hat, so hätte das OLG Nürnberg der Klageforderung wegen Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten wenigstens in Höhe der sich aus § 34 Abs. 1 RVG ergebenden Vergütung stattgeben müssen. Diese hat das OLG Nürnberg zu Unrecht mit der Begründung versagt, die Gebühr für die Beratung sei gem. § 34 Abs. 2 RVG auf die sonstigen im Rechtsstreit entstandenen Gebühren anzurechnen. Dies trifft zwar zu, ist jedoch nicht im Schadensersatzprozess auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten zu prüfen. Gem. § 15a Abs. 2 RVG ist die Anrechnung nämlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der Dritte – hier der Bekl. – in einem der drei dort abschließend aufgeführten Fälle auf die Anrechnung beruft. Hier käme die Titulierung einer der der Anrechnung unterliegenden Gebühren, nämlich der Gebühr für die Beratung im Urt. in Betracht. Hierauf hätte sich der Bekl. jedoch erst im Kostenfestsetzungsverfahren berufen können.
Auswirkungen auf die anwaltliche Praxis
Bei vielen Anwaltshonorarklagen, die ich verhandelt habe, war der Inhalt des Anwaltsauftrags umstritten. Deshalb sollte der Rechtsanwalt bereits bei Entgegennahme des Mandats klarstellen, in welcher Weise er für den Mandanten in der betreffenden Angelegenheit tätig werden soll. Der Inhalt des Mandats sollte – nicht zuletzt auch aus haftungsrechtlichen Gründen – möglichst schriftlich festgehalten werden. Da der Anwalt dem Mandanten in vielen Fällen ohnehin den Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO geben muss, dass sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnen, ...