RVG § 34; VV RVG Vorbem. 2 Abs. 3, Nr. 2300
Leitsatz
Entwirft ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten ein Mahnschreiben, ohne selbst nach außen in Erscheinung zu treten, so löst diese Tätigkeit keine Geschäftsgebühr nach dem RVG-VV Nr. 2300, sondern allenfalls eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG aus.
OLG Nürnberg, Urt. v. 26.7.2010 – 14 U 220/10
Sachverhalt
Auf Grund des Darlehensvertrages vom 19.6.2008 war der Bekl. verpflichtet, dem Kl. spätestens am 31.12.2008 das Darlehen i.H.v. 20.000 EUR zurückzuzahlen. Der Bekl. zahlte das Darlehen nach Fälligkeit nicht fristgemäß zurück. Der Kl. beauftragte deshalb eine Rechtsanwältin damit, seine Ansprüche gegen den Bekl. zu prüfen. Die Anwältin beriet den Kl. rechtlich und formulierte ein Mahnschreiben vor. Dieses Mahnschreiben schickte der Kl. unter seinem eigenen Namen zweimal an den Bekl..
Nach durchgeführtem Mahnverfahren machte der Kl. vor dem LG Nürnberg-Fürth gegen den Bekl. die Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen und den Ersatz der ihm angefallenen außergerichtlichen Anwaltskosten geltend, die er wie folgt berechnete:
1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 20.000 EUR) |
839,80 EUR |
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
+163,36 EUR |
Summe: |
1.023,16 EUR |
Das LG hat der Klage wegen des Darlehensrückzahlungsanspruchs zum Teil, wegen der Anwaltskosten in voller Höhe stattgegeben. Die nur gegen die Verurteilung zur Zahlung der Anwaltskosten gerichtete Berufung des Bekl. hatte beim OLG Nürnberg Erfolg.
2 Aus den Gründen:
B. [1.] Zwar steht dem Kl. aus § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten zu. Auf Grund des insoweit teilrechtskräftigen Endurteils des LG steht fest, dass er aus dem Darlehensvertrag vom 19.6.2008 einen Anspruch auf Rückzahlung von 10.000 EUR hat und dieser Anspruch spätestens am 31.12.2008 fällig war.
Der Bekl. befand sich also im Zeitpunkt der Abfassung der Schreiben vom 16.2.2009 und vom 17.3.2009 mit der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehensgesamtbetrages von 20.000 EUR in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auf dieser Pflichtverletzung beruhte die Einschaltung der Rechtsanwältin.
[2.] Der Senat hat auch davon auszugehen, dass die Kl.-Vertreterin die beiden genannten Schreiben entworfen hat.
[3.] Dem Kl. steht ein Anspruch auf Erstattung von 1.023,16 EUR dennoch nicht zu, da die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr ausgelöst hat.
Die Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 zum RVG-VV). Sie entsteht nicht, soweit sich die Tätigkeit des Anwalts auf die Erteilung eines Rats oder einer Auskunft beschränkt (§ 34 RVG; vgl. Hartmann, KostG, 39. Aufl., VV 2300 Rn 10). § 34 genießt insoweit gegenüber RVG-VV Nr. 2300 Vorrang (Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 2300, 2301 Rn 2). Letzteres ist der Fall, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß nur im Innenverhältnis zum Mandanten beratend tätig wird, also kein anderes Geschäft, vor allem keine Vertretung des Mandanten mit der Beratung verbunden ist (OLG Düsseldorf, MDR 2009, 1420). In der Formulierung "für das Betreiben des Geschäfts" kommt demgegenüber zum Ausdruck, dass es sich um die Gebühr handelt, nach der grds. die außergerichtliche Vertretung abzurechnen ist (s. hierzu auch BGH NJW 2007, 2050); man spricht insoweit auch generell von der "Betriebsgebühr" (Mayer, a.a.O., VV 2300, 2301 Rn 13; Schneider, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., VV Teil 2 Rn 25; Göttlich/Mümmler/Rehberg, RVG, 3. Aufl., "Geschäftsgebühr" Anm. 2). Es kommt somit darauf an, ob der Rechtsanwalt auftragsgemäß auch nach außen wirken soll (OLG Düsseldorf, a.a.O.; AG Hamburg-Altona, AGS 2008, 166).
Ein solches Wirken nach außen oder gar eine Vertretung liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß lediglich ein vom Auftraggeber selbst zu unterzeichnendes Schreiben oder eine sonstige einseitige Erklärung entwirft. RVG-VV Nr. 2300 fordert nach einhelliger Meinung ein Mehr gegenüber der Ratserteilung. Ein solches Mehr liegt nicht bereits dann vor, wenn der Rechtsanwalt – wie hier – ein Schreiben des Mandanten "vorformuliert". Dies stellt lediglich einen Rat an den Mandanten dar, ein Schreiben zu verfassen und welchen Inhalt dieses haben soll. Eine solche Anwaltstätigkeit ist nicht – wie typischerweise bei einer Vertretung – nach außen gerichtet.
So liegt es hier, zumal der Auftrag des Kl. zunächst gerade nicht dahin ging, dass seine Rechtsanwältin nach außen tätig werden sollte. Die behauptete Einholung der Rechtsschutzzusage ändert hieran nichts.
Allerdings wird in der Kommentarliteratur und teilweise auch in der Rspr. vertreten, RVG-VV Nr. 2300 erfordere nicht, dass der Rechtsanwalt nach außen hervortritt (Mayer, a.a.O., VV 2300, 2301 Rn 13; ders., § 34 RVG Rn 14) oder der Auftrag dahin g...