"… II. 1. Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Der Angeklagte hat hierzu vorgetragen, dass das Blutalkoholgutachten vom 20.7.2009 als Beweismittel verwertet worden sei, obwohl dieses Gutachten weder durch Verlesung noch in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, weder im Wege des Vorhalts, noch der Inaugenscheinnahme, des Selbstleseverfahrens, der Befragung von Zeugen oder durch Vernehmung des Sachverständigen."
Der Vortrag der Revision wird bewiesen durch das Hauptverhandlungsprotokoll vom 15.12.2009. Dies lautet auszugsweise wie folgt:
“Beschlossen und verkündet:
Das Blutalkoholgutachten vom 20.7.2009 wird verlesen.’
Mit Beschl. v. 30.9.2010 hat das AG das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2009 auf Anregung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm dahingehend berichtigt, dass unter den vorbezeichneten Passus des Hauptverhandlungsprotokolls der Satz eingefügt wurde:
“Der Beschl. wurde ausgeführt.’
Eine derartige Protokollberichtigung hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm mit Schreiben vom 9.8.2010 angeregt. Zu diesem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft hatte der Verteidiger des Angeklagten Stellung genommen, und zwar auch zur Frage der Protokollberichtigung. Zur eigentlichen Protokollberichtigung selbst durch das AG ist weder der Angeklagte noch der Verteidiger gehört worden. Es sind auch keine dienstlichen Äußerungen der Protokollbeamten – Richterin und Protokollführerin – eingeholt worden. Vielmehr erfolgte die Protokollberichtigung auf einen Vermerk der Amtsrichterin, wonach diese eine “klare und deutliche Erinnerung’ an die Verlesung des Blutalkoholgutachtens in der Hauptverhandlung vom 15.12.2009 habe. Auch dieser Vermerk ist vor der Protokollberichtigung dem Angeklagten oder dem Verteidiger nicht zur Stellungnahme zugeleitet worden. Eine dienstliche Äußerung der Protokollführerin ist gar nicht eingeholt worden. Sie hat vielmehr auf der Grundlage des vorgenannten Vermerks der Amtsrichterin die Protokollberichtigung durchgeführt und gegengezeichnet.
2. Auf Grund der Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) steht fest, dass der Beschl. über die Verlesung des Blutalkoholgutachtens vom 20.7.2009 nicht ausgeführt wurde. Das Protokoll ist hierzu weder lückenhaft noch widersprüchlich, sondern insoweit eindeutig. Der Umstand, dass die Verlesung tatsächlich erfolgt ist, mithin der die Verlesung anordnende Beschl. tatsächlich ausgeführt wurde, gehört auch zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beachtung von der negativen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls erfasst wird (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 273 StPO Rn 9 m.w.N.).
Nach § 274 S. 1 StPO kann die Beachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Als Gegenbeweis lässt das Gesetz nur den Nachweis der Fälschung zu, § 274 S. 2 StPO. Darüber hinaus kann zwar nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH durch eine nachträgliche Berichtigung des Protokolls einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des Revisionsführers die Tatsachengrundlage entzogen werden (BGHSt 51, 298 – 317; BVerfG, Beschl. v. 15.1.2009 – 2 BvR 2044/07, juris). Eine solche nachträgliche Protokollberichtigung hat vorliegend jedoch nicht in der gebotenen Weise stattgefunden und kann auch nicht nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – 2 StR 158/10, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2009 – 5 Ss 506/08, juris).
Grundlage einer jeden Protokollberichtigung ist nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH die sichere Erinnerung der Urkundspersonen. Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht mehr berichtigt werden (BGHSt 51, 298, 314, 316). Vor einer beabsichtigten Protokollberichtigung müssen die Urkundspersonen zunächst den Beschwerdeführer hören. Widerspricht dieser der beabsichtigten Berichtigung substantiiert, sind erforderlichenfalls weitere Verfahrensbeteiligte – der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der Nebenklagevertreter – zu befragen. Halten die Urkundsbeamten trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, ist ihre Entscheidung hierüber mit Gründen zu versehen. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Freibeweisverfahren. Im Zweifel gilt insoweit das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung (BGHSt 51, 298, 315 f; BGH NStZ 2008, 580, 581).
Nichts anderes gilt, wenn das vom Großen Senat vorgegebene Verfahren der Protokollberichtigung nicht eingehalten oder nicht durchgeführt wird. Auch dann gilt das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung (BGH, Beschl. v. 14.7.2010 – 2 StR 158/10, juris).
Eine ordnungsgemäße Protokollberichtigung ist hier nicht durchgeführt worden. Dienstliche Äußerungen der Protokollbeamten sind nicht eingeholt worden, jedenfalls fehlt es, wenn man den Vermerk der Amtsrichterin als dienstliche Äußerung auffassen will, an einer dienstlichen Äußerung der Urkundsbeamtin der Gesc...