BGB § 249
Leitsatz
Die Abwrackprämie ist nicht als Restwert anzurechnen, da ihre Zahlung mit der Verpflichtung verbunden ist, ein Neufahrzeug zu kaufen, damit dem Geschädigten eine überobligatorische Maßnahme auferlegt, die nicht dem Schädiger zugute kommen soll.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Chemnitz, Urt. v. 17.9.2010 – 6 S 472/09
Sachverhalt
Nach einem Unfallereignis entschloss sich der Geschädigte, die damals noch gewährte Abwrackprämie in Anspruch zu nehmen, ließ sein Fahrzeug verschrotten und kaufte ein Neufahrzeug. Er rechnete den Schaden unter Zugrundelegung des gegenüber der Abwrackprämie niedrigeren, im Gutachten geschätzten Restwerts ab. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers stellte in ihre Schadensberechnung die erzielte Abwrackprämie ein. Dem folgte das AG. Das LG verneinte die Berücksichtigung der Abwrackprämie in der Schadensberechnung.
2 Aus den Gründen:
"Die Kammer teilt nicht die Auffassung des AG, wonach die Abwrackprämie als Restwert anzurechnen ist. Der Restwert bestimmt sich zunächst nach dem lokalem Marktwert des Fahrzeuges, was bspw. dann relevant wird, wenn der Geschädigte durch die Inzahlunggabe des Fahrzeuges bei Neuwagenkauf einen besondere guten Preis für das Altfahrzeug erzielt hat; auch dann ist nur der objektive Marktwert zu berücksichtigen, vor dem Hintergrund, dass versteckte Rabatte oftmals im Preis des angekauften Altfahrzeuges enthalten sind. Der erzielte Vorteil ist also nicht dem Schädiger zuzurechnen."
Vor dieser anerkannten Rechtslage ist mit dem Aufsatz Voit/Geck (NJW 10, 119) auch vorliegend die Frage der Vorteilsausgleichung zu prüfen. Bei wertender Betrachtung ergibt sich, dass zwar der Unfall kausal ist für die Möglichkeit/den Entschluss, die Abwrackprämie zu nutzen, die Realisierung dieser Möglichkeit setzt indes die Anschaffung eines Neuwagens voraus, zu welcher der Geschädigte nicht verpflichtet ist. Die Entscheidung, einen solchen Wagen zu kaufen und die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen, stellt damit eine überobligatorische Anstrengung des Geschädigten dar, mit der er erst aus dem Schadensereignis Vermögensvorteile zieht. Solche Vorteile verbleiben indes bei ihm selbst und führen nicht zur Änderung des Schadenersatzanspruches.
Soweit die Beklagte sich darauf bezieht, grundsätzlich seien steuerliche Vorteile aus dem Unfallgeschehen anzurechnen, trägt dies nicht. Zwar ist dies generell zutreffend, sind die Vorteile also “dem Schädiger gutzubringen’ (BGH NJW 1995, 389, 391), wobei indes nicht der Zweck der Steuervergünstigung entgegenstehen darf. Genau dies ist indes vorliegend gegeben, da die Abwrackprämie die Konjunktur fördern soll, also Anreize für die Entscheidung zum Neuwagenkauf setzen will. Dieser Zweck des Gesetzgebers würde indes vereitelt, wenn die Prämie im Ergebnis nur dem Schädiger zugute käme. Im Übrigen gilt auch hier, dass der Vorteil vorliegend nicht nur aus dem Unfallgeschehen selbst erwächst, sondern aus dem folgenden Entschluss, einen Neuwagen zu kaufen.“
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Frank W. Schubert, Chemnitz
3 Anmerkung
Hatte sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall während der Laufzeit der Abwrackprämie dazu entschlossen, ein schadstoffarmes Kfz zu kaufen, stand ihm bei einer Laufzeit des beschädigten Fahrzeuges eine Abwrackprämie von 2.500 EUR zu (vgl. Nr. 4 der Förderrichtlinie vom 26.6.2009). Ob der Geschädigten bei einer solche Konstellation Schadensersatz in Höhe der fiktiven Wiederherstellungskosten – damit ohne Berücksichtigung der Abwrackprämie – verlangen kann, kann nicht mit der plakativen Argumentation verneint werden, der Geschädigte habe sich damit bereichert. Der Schadensfall erweise sich für ihn als "Glücksfall" (vgl. Voit/Geck, NJW 2010, 117, 118), da er zusätzlich zum Schadensersatz für das beschädigte Kfz die wertunabhängige Abwrackprämie erhalte.
Eine nicht gerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten kann aber mit der Begründung verneint werden, dass er für den Kauf des Neufahrzeuges – im Verhältnis zum Schädiger überobligatorisch – eigene erhebliche Mittel einsetzt, um sich durch den Kauf des schadstoffarmen Kraftfahrzeuges die Abwrackprämie zu sichern (vgl. Voit/Geck, a.a.O., 118 unter Hinweis auf BGH NJW 1976, 1396; vgl. auch Kappus, DAR 2009, 170).
Auch die Grundsätze der Vorteilsausgleichung führen nicht dazu, dass die Abwrackprämie bei der Berechnung des Schadensersatzes in die Berechnung zugunsten des Schädigers einzustellen ist. Die gezahlte Abwrackprämie wäre dann dem Schädiger gutzuschreiben, wenn zwischen dem Schadensereignis und der erhaltenen Abwrackprämie ein adäquat ursächlicher Zusammenhang bestände, die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspräche und sie keine unbillige Entlastung des Schädigers herbeiführen würde (vgl. BGH NJW 2006, 1582; Bamberger/Roth-Schubert, BGB, 2. Aufl., § 249 Rn 103). Die Adäquanz zwischen Schadensereignis und Erhalt der Abwrackprämie lässt sich mit der Begründung feststellen, dass es der Lebenserfahrung entspricht, dass sich der Geschädigte während des Geltungszeitraums der Abwrackprämie für deren Erhalt en...