VVG § 28; Art 1 EGVVG
Leitsatz
Hat es der Versicherer unterlassen, seine dem früheren Recht entsprechenden AVB anzupassen, treten die gesetzlichen Rechtsfolgen des § 28 Abs. 2 VVG an die Stelle jener des § 6 Abs. 3 VVG.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Ellwangen, Urt. v. 20.8.2010 – 4 O 69/10
Sachverhalt
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Kaskoversicherungs- sowie einem Haftpflichtversicherungsvertrag geltend.
Dem Vertrag lagen die AKB mit dem Stand 1.9.2004 zu Grunde.
Mit Einführung des neuen VVG wurden die Versicherungsbedingungen nicht umgestellt.
Am 22.5.2009 fuhr der Kläger gegen 20.35 Uhr mit dem Pkw Ferrari auf der B 290 von Aalen kommend in Richtung Ellwangen. Auf Höhe Schrezheim überfuhr der Kläger die Mittelinsel des dortigen Kreisverkehrs und kam mit dem Ferrari am gegenüberliegenden Laternenmast zum Stehen. Am Ferrari entstand ein Sachschaden von 83.957,99 EUR. Des Weiteren entstand am Laternenmast ein Schaden von 3.041,28 EUR und im Hinblick auf die beschädigte Mittelinsel ein Schaden von 377,61 EUR. Der Kläger verließ die Unfallstelle und meldete den Unfall nicht der Polizei. Der Ferrari wurde anschließend vom Vater des Klägers von der Unfallstelle entfernt. Gegen 22.00 Uhr erschien der Bruder des Klägers, L an der Unfallstelle und gab gegenüber den dort befindlichen Polizeibeamten an, dass er "das Unheil angerichtet" habe.
2 Aus den Gründen:
"… Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg."
Der Kläger hat sich vorsätzlich unerlaubt vom Unfallort entfernt und auf Grund dieser Obliegenheitsverletzung gem. § 28 Abs. 2 VVG keinen Anspruch auf Zahlung von 87.126,88 EUR. Dem Versicherungsvertrag lagen die AKB zu Grunde. Die dort geregelten Obliegenheitspflichten sind auch nicht auf Grund der unterbliebenen Umstellung der Versicherungsbedingungen mit Einführung des neuen VVG unwirksam geworden. Der Kläger hat schließlich den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis (§ 28 Abs. 3 VVG) nicht geführt.
1. Die Parteien haben die Versicherungsbedingungen wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen und damit wirksam eine vertragliche Obliegenheit vereinbart (vgl. § 28 Abs. 1 VVG). Auf den streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist das VVG in der neuen Fassung anzuwenden, da sich der Versicherungsfall nach dem 1.1.2009 ereignete. Angesichts des Versicherungsscheines vom 27.4.2007 wurden die AVB Vertragsbestandteil. …
2. § 7 der AKB ist auch nicht deshalb unwirksam, weil mit Einführung des neuen VVG keine Umstellung der Versicherungsbedingungen erfolgte und somit immer noch ein Hinweis auf § 6 VVG a.F. enthalten ist, obwohl diese Vorschrift nunmehr nicht mehr gilt und durch § 28 VVG n.F. ersetzt wurde.
Zwar wird z.T. in Rspr. und Literatur vertreten, dass die vertraglichen Obliegenheiten in einem solchen Fall insgesamt unwirksam seien (vgl. zum Meinungsstand Günther, zfs 2010, 362 ff.). Richtigerweise führt aber die fehlende Umstellung der Versicherungsbedingungen nicht zu einer gänzlichen Sanktionslosigkeit von Obliegenheitsverletzungen. Vielmehr ist der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung den alten Versicherungsbedingungen und die Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung dem neuen VVG (hier folglich § 28 VVG) zu entnehmen (so auch Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Artikel 1 EGVVG, Rn 37 ff. und Günther, a.a.O. jew. m.w.N.; LG Ellwangen, Urt. v. 1.3.2010 – 2 O 129/09).
Die Auffassung, dass Obliegenheitsverletzungen bei unterbliebener Anpassung wegen § 28 VVG unwirksam geworden seien, setzt sich über den Umstand hinweg, dass an die Stelle der unwirksamen Klausel keine fiktive vertragliche Vereinbarung, sondern die gesetzlichen Rechtsfolgen des § 28 VVG treten. Der Versicherungsnehmer darf nicht darauf vertrauen, dass eine ursprünglich zulässige Klausel infolge einer Gesetzesänderung, durch welche die vorgesehenen Sanktionen lediglich abgemildert werden, völlig sanktionslos wird. Erforderlich ist lediglich, dass die Obliegenheit, nicht aber die Rechtsfolge, wirksam vereinbart ist.
Demgegenüber kann sich der Versicherungsnehmer nicht auf Transparenzinteressen berufen (Prölss/Martin, a.a.O., Rn 37). Die Anwendung der in § 28 VVG vorgesehenen Rechtsfolgen verstößt auch nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Jenes Verbot gelangt nämlich nicht zur Anwendung, wenn die jetzt unwirksame Regelung nach altem Recht zulässig oder sogar erforderlich war, für Sanktionen wie die Anwendung des Verbots also kein Anlass besteht. …
3. Der Kläger hat sich nach dem Unfall wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB strafbar gemacht und damit eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen. Dass der Kläger eine vorsätzliche Unfallflucht begangen hat, steht fest auf Grund der beigezogenen Strafakten des AG Ellwangen. Der Kläger hat nunmehr im Zivilverfahren auch gar nicht in Abrede gestellt, dass er eine Unfallflucht begangen hat. Durch den Unfall ist auch ein erheblicher Fremdschaden entstanden, welcher dem Kläger auf Grund des Schadensbildes auch bewusst sein musste.
In den Versicherungsbedingungen war geregelt, dass der Kläger al...