Ob bei einer Ersatzbeschaffung einer bei einem Unfall beschädigten Brille eine Kostenbeteiligung des Geschädigten wegen des Abzugs neu für alt anzunehmen ist, bestimmt sich nach den sinngemäß geltenden Regeln der Vorteilsausgleichung. Direkt übertragbar sind die Regeln der Vorteilsausgleichung nicht, da sie voraussetzen, dass das schädigende Unfallereignis zugleich eine Vermögensvermehrung des Geschädigten zur Folge hatte, das Problem des etwaigen Ausgleichs durch Zuzahlung des Geschädigten erst durch die nicht aufschiebbare Bedarfsdeckung des Geschädigten, die Neuanschaffung der Brille, entstanden ist (vgl. Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl., S. 261).
1. Ob die Ersatzpflicht des Schädigers auf Erstattung der Kosten einer Neuanschaffung durch Begründung einer Zuzahlungspflicht gemindert wird, ist schon deshalb zweifelhaft, weil eine mit dem Einsatz der neuen Brille verbundene Vermögensmehrung nur in Ausnahmefällen vorliegt (verneinend AG Montabaur zfs 1998, 132; Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rn 98). Wie bei einer Zahnprothese, bei deren Ersatz ebenfalls keine Zuzahlungspflicht des Geschädigten besteht (vgl. OLG Frankfurt VersR 1979, 38; LG Hanau DAR 1999, 365; AG Landshut NJW 1990, 1537), unterliegt eine Brille kaum einer Abnutzung, sodass ein geminderter Gebrauchswert nicht anzunehmen ist. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Neuanfertigung einer Brille wegen Sehstärkenänderung oder wegen einer Vorschädigung der schließlich bei dem Unfall vollends zerstörten Brille anzunehmen ist (vgl. auch LG Münster NZV 2012, 302, 303).
2. Zusätzlich ist die Zuzahlungspflicht des Geschädigten eine unzumutbare Belastung. Zwar mag die planwidrige Belastung des Geschädigten mit einer Ausgabe, der Neuanschaffung der Brille, im Allgemeinen noch nicht unzumutbar sein (vgl. auch BGH NJW 1959, 1079). Allerdings ist ein dem Geschädigten aufgezwungener Wertausgleich jedenfalls dann nicht zuzumuten, wenn er nicht in der Lage ist, die Mehrkosten der Neubeschaffung zu tragen (LG Münster a.a.O.; Staudinger-Schiemann, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2009, Rn 333).
3. Da der Geschädigte aus medizinischen Gründen auf einen Neuerwerb einer Brille angewiesen war und er wegen Fehlens eines Gebrauchtmarktes nicht preiswerter seinen Bedarf decken konnte, war ihm wegen Fehlens der Dispositionsfreiheit die Kostenbeteiligung nicht zuzumuten (vgl. LG Münster a.a.O.; Beckscher Online-Kommentar Rn 135 zu § 249 BGB).
RiOLG a.D. Heinz Diehl