“ … 2. Auch inhaltlich begegnet das angefochtene Urt. keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beweisnot des Kl. kann weder prozessrechtlich (a) noch materiellrechtlich (b) überwunden werden.

a) § 286 Abs. 1 ZPO regelt zweierlei: zum einen die (sog. freie) Beweiswürdigung als Vorgang, zum anderen das sog. Beweismaß, das heißt die persönliche Gewissheit des Richters dergestalt, dass vernünftige Zweifel schweigen. Absolute/mathematische Gewissheit darf, weil nicht erreichbar, nicht verlangt werden. Keinesfalls aber genügt im Anwendungsbereich von § 286 ZPO, dass es “gut möglich’ oder “überwiegend wahrscheinlich’ ist, dass ein streitiges Geschehen sich entsprechend der Behauptung der beweisbelasteten Partei zugetragen hat, oder die eine Darstellung des Sachverhalts eher zuzutreffen scheint als die des Gegners. Der Richter darf und muss in tatsächlich zweifelhaften Fällen einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit fordern bzw. sich mit einem solchen begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Notwendig ist die persönliche Gewissheit des zur Entscheidung berufenen Richters. Dieser hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die ohnehin fast immer möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Unschädlich ist, ob Andere zweifeln oder in der gleichen Situation zu einer anderen Auffassung gelangen würden (BGHZ 53, 245, 256). Letzte, fernliegende und nicht völlig auszuschließende Zweifel sollen der Überzeugung nicht entgegenstehen.

aa) Diesem Maßstab und der Darlegungspflicht nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO genügt das landgerichtliche Urt.

Der Umstand, dass der Kl. den Wasserschaden erst etwas mehr als ein Jahr nach Beginn des Versicherungsverhältnisses mit der Bekl. bemerkt hatte, spricht für sich genommen dafür, dass die Leckage nicht bereits vor dem 1.7.2003, sondern während des Bestandes des Versicherungsverhältnisses mit der Bekl. aufgetreten ist. Diese Alternative mag wahrscheinlicher sein als diejenige, die der Kl. seinem Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, gerichtet gegen die Streithelferin als Vorversicherer, zugrunde gelegt hat. Dort hatte der Kl. in seiner Antragsschrift noch die Auffassung vertreten, dass nur durch einen länger zurückliegenden Leitungswasserschaden die vorgefundenen Schadenauswirkungen wie Holzfäulnis in der Wand- und Fußschwellenkonstruktion sowie Schimmelpilzbildung zu erklären seien. Mit bloßen Wahrscheinlichkeiten aber ist den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO nicht zu genügen. Legt man die Erkenntnisse aus dem selbstständigen Beweisverfahren zugrunde, ist es nicht möglich, sich eine ausreichende Gewissheit davon zu verschaffen, ob die Leckage vor oder nach dem 1.7.2003 eingetreten war. Ursache der Leckage war Lochfraß und damit ein progredient verlaufender Vorgang, sodass auch der Umstand, dass zuletzt etwa 70 Liter pro Tag an Wasser ausgetreten sein sollen, nichts dafür hergibt, wie viel Wasser Wochen oder Monate vorher ausgetreten war. Mit diesem Umstand relativiert sich auch die Aussage des Kl., er habe bei Bauarbeiten wenige Monate vor der Feststellung des Schadens noch keine Feuchtigkeit bemerkt (Klagschrift S. 5). Dies mag durchaus so zutreffen, es besagt aber schon nicht, dass es zu dieser Zeit noch keinerlei Wasseraustritt gegeben haben kann.

bb) Für den Kl. streitet, wie das LG zutreffend angenommen hat, auch kein Anscheinsbeweis.

Dieser greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen in bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung (und zwar der allgemeinen und nicht etwa nur individuellen einer einzelnen Person) auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dieser Schluss von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist. Auch wenn der Anscheinsbeweis auf der Auswertung von Wahrscheinlichkeiten beruht, die aufgrund der Lebenserfahrung anzunehmen sind, genügt es aber – wiederum – nicht, dass eine Möglichkeit wahrscheinlicher ist als die andere.

In einer solchen Weise ausreichend typisch ist aber nur, dass Lochfraß früher oder später zu Wasseraustritt führt und dieser Verlauf dann auch progredient ist. Es gibt keine Typizität hinsichtlich der hier wesentlichen Frage, in welcher Art und Weise konkret sich ein solcher Verlauf gestaltet. Weder der im selbstständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige W. noch die weiter angesprochenen Institute und sonstigen Einrichtungen haben sich imstande gesehen, zur Frage des Verlaufs der Beschädigung Angaben zu machen. Der Hinweis auf Seite 10 der Berufungsbegründung, die Äußerungen des Sachverständigen W. trügen einen Anscheinsbeweis, ist falsch. Es bedarf k...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?