BGB § 253 § 833 § 843
Leitsatz
1. Schmerzensgeld von 6.000 EUR wegen Schienbeinkopffraktur; fünf Wochen stationäre Behandlung; vier Monate Erforderlichkeit von zwei Unterarmkrücken; zeitaufwändige Teilnahme an Nachsorgeprogrammen; optische Beeinträchtigungen durch bleibende Operationsnarben; zeitweise unfallbedingte Unmöglichkeit von Skifahren, Bergsteigen und Bergwandern; keine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen prozessverzögerndem zulässigen Bestreiten.
2. In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Hausarbeiten zu verrichten, liegt ein ersatzfähiger Schaden. Diente die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt, liegt ein Erwerbsschaden nach § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB vor, diente sie den eigenen Bedürfnissen des Verletzten, liegt eine Vermehrung der Bedürfnisse gem. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor.
3. Der Haushaltsführungsschaden ist bei Einstellung einer Ersatzkraft messbar an deren Entlohnung, bei fehlender Einstellung an dem Nettolohn für die benötigte – fiktiv berechnete – Beschäftigung einer Ersatzkraft zu messen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG München, Urt. v. 20.7.2012 – 6 O 19662/10
Sachverhalt
Der Kl. hat die Bekl. als Hundehalterin wegen der Folgen eines Fahrradunfalls u.a. auf Schmerzensgeld und Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Anspruch genommen. Nach der Darstellung des Kl. habe die Bekl. nach dem Verlassen ihres Fahrzeugs mit ihrem Hund vor dem sich auf seinem Mountainbike nähernden Kl. die Straße überquert, als der Hund der Bekl. von links über die Straße und in das vordere Rad des Fahrrads des Kl. gerannt sei. Der Kl. habe sein Fahrrad noch abgebremst, sei aber mit dem Rad nach links umgekippt und mit dem linken Bein hart auf dem Boden aufgekommen. Durch das starke Abfedern mit dem linken Bein habe er sich eine komplette Tibiafraktur zugezogen. Der Kl. hat ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR für angemessen gehalten und weiterhin den Ersatz des ihm entstandenen Haushaltsführungsschadens gefordert.
Die Bekl. hat ein Mitverschulden des Kl. darin gesehen, dass er zum Unfallzeitpunkt deutlich schneller als die von ihm angegebenen 20 km/h mit seinem Fahrrad gefahren sei.
Das LG bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen der Hundehalterhaftung, sprach dem Kl. ein Schmerzensgeld von 6.000 EUR zu und bejahte einen ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden.
2 Aus den Gründen:
“Die Klage ist überwiegend begründet. Dem Kl. stehen die geltend gemachten Ansprüche im zugesprochenen Umfang zu.
1. Die Bekl. ist dem Kl. aus § 833 S. 1 BGB zum Ersatz des durch den Fahrradunfall vom 31.7.2010 entstandenen Schadens verpflichtet.
a) Das Gericht hat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme keinen Zweifel, dass der Kl. durch das Verhalten des Hundes der Bekl. vom Fahrrad stürzte und sich dabei am linken Knie verletzte (wird ausgeführt). Damit ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es der Hund der Bekl. war, der den Kl. auf seinem Fahrrad zu Fall brachte. Nach der Zeugenvernehmung geht im Übrigen auch die Bekl. davon aus, dass ihr Hund an dem geschilderten Vorfall beteiligt war. Nachdem der Fahrradsturz des Kl. hiernach durch die Kollision auf dem auf der Straße hin- und herlaufenden Hund der Bekl. ausgelöst wurde, hat sich in dem Verhalten des Hundes auch die für die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB erforderliche spezifische Tiergefahr verwirklicht (vgl. OLG Hamm NZV 2002, 461).
b) Ein Mitverschulden, das dem Kl. gem. § 254 BGB anspruchsmindernd zur Last zu legen wäre, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Soweit die Bekl. ein Mitverschulden auf eine überhöhte Geschwindigkeit des Kl. stützt, hat das Gericht Zweifel, inwieweit ausreichende Anknüpfungstatsachen für die Erhebung des von der Bekl. angebotenen Sachverständigenbeweises vorliegen. Der Kl. hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, mit etwa 20 km/h gefahren zu sein. Die Zeugin W hat nach ihrer Aussage nicht gesehen, ob der Kl. besonders schnell oder langsam auf seinem Fahrrad gefahren ist. Die subjektive Einschätzung des Kl. dürfte nicht hinreichend zuverlässig sein. Dass sich allein aus Art und Schwere der erlittenen Verletzungen die Fahrgeschwindigkeit des Kl. objektiv aufklären lässt, erscheint äußerst fraglich. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war letztlich nicht veranlasst, da auch bei als wahr unterstellter höherer Geschwindigkeit des Kl. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen ist, dass der Sturz durch den in das Fahrrad laufenden Hund ausgelöst wurde, was bei jeder Geschwindigkeit eines Radfahrers einen Sturz verursachen kann (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
2. Die Bekl. ist dem Kl. gem. § 253 Abs. 2 BGB zum Ersatz des immateriellen Schadens durch Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, das das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls i.H.v. 6.000 EUR für angemessen hält.
a) Zu berücksichtigen war zunächst die Art der Verletzung, nämlich eine Schienbeinkopffraktur am linken Kniegelenk. Ausweislich des Arztberichts zog sich der Kl. eine “komplexe bikondyläre Tibiakopf-Fraktur mit Impressi...