BGB § 253
Leitsatz
1) Führt ein aufgrund der schädigenden Handlung herbei geführter Körperschaden zu einer erheblichen Einschränkung des Geschädigten in seiner Lebensführung, kommt dem eine erhebliche Bedeutung für die Bemessung des Schmerzensgeldes zu.
2) Liegt in Arzthaftungssachen das Verschulden des in Anspruch Genommenen an der Grenze zum bedingten Vorsatz, rechtfertigt dieses leichtfertige Verhalten des Haftenden eine Erhöhung des Schmerzensgeldes.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Oldenburg, Urt. v. 24.10.2018 – 5 U 192/18
Sachverhalt
Bei einem athroskopischen Knieeingriff löste sich die Metallspitze des verwendeten Trokars Dabei handelt es sich um ein medizinisches Instrument, das zur Ausführung einer Punktion eingesetzt wird. Mit einer JK Kanüle mit Griff b wird eine dreikantige Spritze eingewsetz die zur Ziehung von Körperflüssigketen aus Körperhöhlen verwandt wird. Am Ende des Behandlungstages fiel dem Bekl. zu 1), dem Operateur nach der Prüfung des Behandlndlungsraums das Fehlen der Spitze auf. Er fertigte eine Notiz an, die umschrieb, dass sich die Spitze möglicherwiswer intraoperativ gelöst haben könnte, nahm aber keinen Kontakt zu dem Kl Kl., an dem er den Eingriff vorgenommen hatte, auf. Auch bei dem folgenden Verbandswechsel und dem Fadenziehen veranlaßte er keine weitere Untersuchzung und erwähnte gegenüber dem Kl. nich den Verdacht eines Teils eines im Körper verbliebene Instrumets. Nachdem sich der Kl. etwa einen Monat später wegen extremer Schmerzen im Kniegelenk vorgestellt hatte, veranlaßte er eine Röntgenuntersuch, die den Befund erbrachte, dass die Trokarspitze im Kniegelenk verblieben war.
Der Kl. hat behauptet, die Trokarspitze habe tiefe Riefen im Knorpel des Kniegelenks hinterlassen. Er könne wegen des verbliebenen Dauerschadens seinem Hobby Bergwandern nur sehr eingeschränkt und seinem weiteren Hobby Volleyball spielen gar nicht mehr nachgehen. Längeres Stehen und das Gehen mittlerer Strecken bereite ihm Schmerzen.
Das LG hat Beweis erhoben, indem es ein unfallchirurgischorthopädisches Gutachten eingeholt hat, und sodann die Bekl. zu 1) und 3) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 12.000 EUR verurteilt sowie die etwaige Ersatzpflicht für zukünftige Schäden festgesteilt. Es stelle einen groben Behandlungsfehler, dass der Bekl. zu 1), nachdem er das Fehlen der Trokarspitze bemerkt hatte, keine Untersuchung aller am Tage operierten Patienten veranlasst hatte. Dies habe zu massiven tiefen Verletzungen des Knorpels im Knie geführt.
Zur Begründung seiner Berufung, mit der der Bekl. dar Kl. eine Anhebung des Schmerzensgeldes verfolgt bezieht er sich darauf, dass das LG die Dauerfolgen zu niedrig gewichtet habe. Mit der Anschlussberufung verfolgen die Bekl. die Herabsetzung des Schmerzensgeldes auf 7.500 EUR.
Die Berufung hatte teilkweise Erolg, die Anschlussberufung wurde zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… Die Berufung hat zu einem Teil Erfolg, die Anschlussberufung nicht."
Dem Senat erscheint ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR erforderlich, um den Kl. in den Genuss eines angemessenen Ausgleichs und einer entsprechenden Genugtuung kommen zu lassen
Dabei hat der Senat die nachfolgenden Beschwerden in die Abwägung eingestellt:
▪ |
Notwendigkeit einer Revisionsoperation, |
▪ |
erhebliche Schmerzen bis zur Revisionsoperation, |
▪ |
dauerhafter Knorpelschaden verbunden mit erheblichen Schmerzen bei längerem Stehen und dem Gehen mittlerer Strecken, |
▪ |
dauerhafter Verzicht auf das Hobby Volleyball, |
▪ |
Einschränkungen beim Hobby Bergwandern. |
Schmerzensgelderhöhend hatte der Senat weiterhin zu berücksichtigen:
▪ |
die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Kl. auf ein künstliches Kniegelenk angewiesen sein wird, |
▪ |
das erhebliche Verschulden des Bekl. zu 1). |
Schmerzensgeldmindernd ist in Rechnung zu stellen, dass das Knie des Kl. vorgeschädigt war.
Im Einzelnen: Bei der danach vorzunehmenden Abwägung erscheint dem Senat eine Anhebung des vom LG zuerkannten Betrages geboten. Bei der Einordnung stehen für den Senat zwei Gesichtspunkte im Vordergrund: Zum einen der Dauerschaden im Knie, der den vormals sportlich aktiven Kl. in seiner Lebensführung erheblich einschränkt. Angesichts eines Lebensalters von 46 Jahren kommt diesem Gesichtspunkt noch erhebliche Bedeutung bei. Zum anderen ist das erhebliche Verschulden des Bekl. unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass im Arzthaftungsprozess der Verschuldensgrad bei der Schmerzensgeldbemessung generell außer Betracht zu bleiben habe (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2003 – 8 U 190/01, juris Rn.40; für [grob] fahrlässige Pflichtverletzungen: Hanseatisches OLG in Bremen, Urt. v. 26.3.2002 – 3 U 84/01, juris Rn.7; OLG Köln, Teilurt. v. 9.1.2002 – 5 U 91/01, juris Rn.32; a.A. Soergel-Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl., § 253 Rn.20; diff. MünchKomm-Oetker, 7. Aufl. § 253 Rn.48), tritt dem der Senat jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Grenze zum bedingten Vorsatz berührt ist, nicht bei (so ebenfalls für “leichtfertiges' Verhalten O...