BGB § 249
Leitsatz
1. Nach dem Urteil des BGH vom 22.2.2018 (VII ZR 46/17) ist davon auszugehen, dass die dort festgestellte Aufgabe der fiktiven Abrechnung für werkvertragliche Konstellationen für Schadensersatzansprüche aller Art im Schuldrecht gilt.
2. Die fiktive Schadensabrechnung führt zu einer Überkompensation des Geschädigten und damit zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten.
3. Der Fortfall der Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung von Schadensforderungen ist auch aus erfolgsorientierten Gründen zu begrüßen. Er schränkt die Möglichkeit von Versicherungsbetrügereien ein und führt zu einem Ausgleich nur tatsächlich angefallener Reparaturkosten.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Darmstadt, Urt. v. 5.9.2018 – 23 O 386/17 (nicht rechtskräftig)
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Abrechnung eines Verkehrsunfalls für den die beiden Bekl. in voller Höhe haftbar sind. Nach Teilerledigung und Teilrücknahme ist zwischen den Parteien noch ein Restbetrag an Reparaturkosten streitig, den der Kl., der konkrete Schadensabrechnung vorlegt, fiktiv abrechnet.
Das LG hat nach Erlass eines Urteils des BGH vom 22.2.2018 (VII ZR 46/17) die Parteien in einem Beschluss darauf hingewiesen, dass der Wegfall der Möglichkeit auf eine fiktive Abrechnung nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt sei, sondern für alle Schadensersatzansprüche gelte. Es wies deshalb die Klage auf den im Wege der fiktiven Abrechnung ermittelten Anspruch ab.
2 Aus den Gründen:
"… 3.1 Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.247,47 EUR auf die vom Kläger auf Gutachtenbasis abgerechneten weiteren fiktiven Reparaturkosten, worauf er auch nach Hinweis des Gerichts vom 16.4.2018 (Bl. 87 f. der Akte) beharrt und keine konkrete Schadensberechnung vorträgt."
Die Kammer hält an ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung fest, dass die vom BGH mit Urt. v. 22.2.2018 (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, zitiert nach juris, dort insb. Rn 30 ff.) für den sog. kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche Geht oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen (so auch LG Darmstadt Urt. v. 15.6.2018 – 8 O 134/16, zitiert nach juris, dort Rn 17 f.).
Dem Kläger und den insoweit wohl ebenfalls skeptischen Beklagten ist zuzugeben, dass der BGH selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, zitiert nach juris, dort Rn 69 ff.). Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach § 132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, zitiert nach juris, dort Rn 70).
Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen ist.
Völlig zu Recht hat der VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Kehrtwende darauf hingewiesen, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht – vor allem im Baurecht – nicht mehr zutreffend abbildet und häufig zu einer nach allgemeinen (!) schadensrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu rechtfertigenden Überkompensation des Geschädigten führt (BGH Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, zitiert nach juris, dort Rn 34 f.), mithin zu einer Bereicherung, die mit dem das gesamte Schadensersatzrecht prägenden Grundsatz der Restitution in Natura oder in Geld ohnedies nie wirklich in Einklang zu bringen war und es zunehmend weniger ist.
Das ist nun aber keine Problematik, die sich allein aus Besonderheiten des Werkvertragsrechts speist. So wird auch in der Literatur mit Recht darauf hingewiesen, dass zunächst einmal nicht begründbar ist, weshalb diese Grundsätze im Bereich der kaufrechtlichen Gewährleistung nicht gelten sollen, weshalb dann konsequenterweise auch dort die Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes beendet ist (so zutreffend der Aufsatz von Heinemeyer: “Ende der fiktiven Mangelbeseitigungskosten auch im Kaufrecht?', NJW 2018, 2441 ff. [2443 ff.]; Picker, Anmerkung zur Entscheidung des VII. BGH-Senats, JZ 2018, S. 676 ff....