VVG § 28 Abs. 2, AKB E.6.1.
Leitsatz
Ein Versicherungsnehmer, der sein Kraftfahrzeug nach einem Unfall selbst instand setzen lässt, ohne zuvor Weisungen seines Versicherers einzuholen, verletzt die Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich.
(Leitsatz der Schriftleitung)
KG, Beschl. v. 8.6.2018 – 6 U 157/16
1 Aus den Gründen:
"… 1) Das LG ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Bekl. gem. § 28 Abs. 2 VVG i.V.m.E.5.1, E.3.2 der hier für den Versicherungsvertrag vereinbarten AKB 2008 leistungsfrei geworden ist. (…)"
b) Gemäß E.3.2 (“Einholung unserer Weisung') hat der VN vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur die Weisungen der Bekl. einzuholen und zu befolgen, soweit die Umstände dies gestatten und dies dem VN zumutbar ist. Gegen diese Obliegenheit hat der Kl. hier objektiv verstoßen, denn er hat sein unfallbeschädigtes Fahrzeug teilweise instand setzen lassen, ohne vorher Weisungen der Bekl. einzuholen und ihr die Besichtigung des Fahrzeugs mit dem unveränderten Schadensbild nach dem Unfall zu ermöglichen.
c) Die Obliegenheitsverletzung ist vom Kl. auch vorsätzlich begangen worden. Ihm war der Inhalt der AKB bekannt. Der Kl. hatte einen Verkehrsunfall erlitten, bei dem er von den Polizeibeamten, die den Unfall aufnahmen, als Verursacher eingestuft wurde. Er wusste deshalb, dass er anhand der AKB prüfen musste, ob er die Bekl. als Haftpflichtversicherer von dem Schadensfall informieren musste, weil eine Inanspruchnahme durch den Unfallgegner drohte. Er musste auch überlegen, ob er unter Umständen später die Bekl. als Kaskoversicherer wegen der erlittenen Schäden am eigenen Fahrzeug in Anspruch nehmen muss und ob ihm insoweit jetzt schon bestimmte Verhaltensweisen nach dem Unfall durch die AKB auferlegt waren. Jeder VN an der Stelle des Klägers hätte sich deshalb anhand der AKB informiert, welche Informationen er der Bekl. zukommen lassen musste, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Es steht der Annahme von Vorsatz deshalb nicht entgegen, sollte der Kl. die AKB anlässlich des Schadensfalls vor der Inangriffnahme der Reparatur nicht zur Kenntnis genommen haben. Denn der Kl. hätte sich bewusst einer Kenntnisnahme des Inhalts der Obliegenheiten verschlossen und damit vorsätzlich das unterlassen, was jedem VN eingeleuchtet hätte. Abgesehen davon gehört es zum Allgemeinwissen eines durchschnittlich verständigen VN, dass VR, wenn sie auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch genommen werden, regelmäßig eigene Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls und zum Umfang der möglicherweise berechtigten Entschädigungsleistung treffen wollen (KG zfs 2015, 275). Er hat zumindest die Nichteinhaltung von Obliegenheiten billigend in Kauf genommen, was den Vorwurf des bedingten Vorsatzes rechtfertigt.
d) Dem Kl. gelingt auch der Kausalitätsgegenbeweis nicht, dass die Veränderung des Schadensbildes an seinem Fahrzeug keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles und den Umfang der geschuldeten Versicherungsleistung hatte. Der BGH hat in drei jüngeren Entscheidungen, bei denen die Verletzung der Sachaufklärungsobliegenheit durch den VN jeweils dadurch begangen wurde, dass entgegen dem Verlangen des Vermögensschadenshaftpflichtversicherers die persönliche Stellungnahme einer Sachbearbeiterin zum Sachverhalt nicht beigebracht wurde, deren fehlerhafte Sachbearbeitung die Leistungspflicht der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung begründet haben soll, die Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung verneint (vgl. BGH zfs 2015, 31, 212). Denn es stand nach Auffassung des BGH nicht fest, ob und ggf. welche weiteren Erkenntnisse eine Befragung der Mitarbeiterin erbracht hätte, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich die Unterlassung auf die Möglichkeit zur Feststellung des Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Nicht anders liegt der Sachverhalt hier. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Bekl. bei einer Besichtigung des Fahrzeuges durch einen von ihr beauftragten Gutachter Erkenntnisse gewonnen hätte, die für die Feststellung des Versicherungsfalls, namentlich den genauen Schadensumfang und die Kausalität des Unfallereignisses für das Schadensbild von Bedeutung gewesen wären. Der Gutachter hätte eigene Untersuchungen auf Vorschäden und deren vollständige und fachgerechte Beseitigung im Schadensbereich treffen können, die nach der Veränderung des Schadensbildes nicht mehr getroffen werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Bekl. bei einer eigenen Untersuchung Erkenntnisse gewonnen hätte, die über die Feststellungen des Privatgutachters (…), den der Kl. beauftragt hatte, hinausgegangen wären. Auch die teilweise Widerlegung der Feststellung im Gutachten ist nicht ausgeschlossen.
Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom 4.1.2001 (VersR 2001, 756 f.) zugrunde lag. Dort war der Versicherungsfall zwar ebenfalls sehr spät angezeigt worden, wobei zwischenzeitlich die Brandreste abgebrochen und das Grundstück neu b...