BGB § 285; AKB § 12 Abs. 1 § 13
Leitsatz
Hat der Leasingnehmer einen Vollkaskoversicherungsvertrag zum Neuwert abgeschlossen und nach einem Versicherungsfall den Neuwert erhalten, so steht dem Leasinggeber die gesamte Neuwertentschädigung zu, auch wenn der Ablösewert nach dem Leasingvertrag deutlich geringer ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 16.8.2019 – 6 U 42/19
Sachverhalt
Die Parteien waren durch einen Leasingvertrag betreffend das Fahrzeug A Typ B verbunden, der aufgrund eines entsprechenden Leasingantrages des Kl. vom 2.5.2017 zustande kam. Auf den Inhalt des Leasingvertrages nebst den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kfz wird Bezug genommen.
In der Nacht vom 7.6.2018 auf den 8.6.2018 wurde das in Rede stehende Leasingfahrzeug vor der Haustür des Kl. entwendet. Der Leasingvertrag wurde daraufhin mit Schreiben vom 5.7.2018 durch die Bekl. unter Bezugnahme auf Ziffer X.6 der AGB gekündigt. Gleichzeitig wurde eine Abrechnung mit einem Gutschriftbetrag i.H.v. brutto 1.890,72 EUR aufgestellt.
Der Kl. hatte für das Leasingfahrzeug bei der C eine Vollkaskoversicherung auf Neupreisbasis abgeschlossen.
Nach einer Bewertung der Firma D lag der Netto-Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Diebstahls bei 66.974,79 EUR. Unter dem 8.8.2018 teilte die C dem Kl. mit, dass sie einen Betrag i.H.v. 95.941,18 EUR auf das Konto der Bekl. überwiesen habe.
Auf Aufforderung des Kl. teilte die Bekl. den Ablösewert mit 63.925,71 EUR mit.
Der Kl. hat die Ansicht vertreten, dass der Bekl. die über den Ablösewert hinausgehende Versicherungsleistung i.H.v. 32.015,47 EUR nicht zustehe, da dieser Mehrbetrag allein auf die von ihm abgeschlossene und bezahlte Vollkaskoversicherung auf Neupreisbasis zurückzuführen sei. Die Bekl. sei deshalb in Höhe dieses Betrages ungerechtfertigt bereichert.
2 Aus den Gründen:
"… Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Dem Kl. steht kein Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB hinsichtlich des von der C an die Bekl. überwiesenen Übererlöses zu. Zwar handelt es sich bei der Überweisung seitens der Versicherung um eine Leistung des Kl., diese erfolgte jedoch nicht ohne Rechtsgrund."
1. Soweit eine Kfz-Versicherung auf Basis des Wiederbeschaffungswerts reguliert, hat der BGH bereits entschieden, dass die Leistung der Vollkaskoversicherung im Fall des Diebstahls und der frühzeitigen Beendigung des Leasingvertrags dem Leasinggeber in voller Höhe zusteht. Die Vollkaskoversicherung greife nach § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 AKB bei Beschädigung, Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs und sei damit reine Sachversicherung und decke als solche nur das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des unter Versicherungsschutz stehenden Fahrzeugs (s. BGH zfs 2008, 205). Nach der Wertung des § 285 BGB sei derjenige, der von seiner Pflicht (hier: nach Beendigung des Leasingvertrages den Leasinggegenstand zurückzugeben) wegen Unmöglichkeit frei geworden sei und dafür ein stellvertretendes commodum (hier: Versicherungsleistung) erhalten habe, verpflichtet, dieses (an den Leasinggeber als Eigentümer) herauszugeben.
2. Im vorliegenden Fall hat die Vollkaskoversicherung nicht auf Basis des Wiederbeschaffungswerts, sondern des Neupreises reguliert. Die Frage, ob dem Leasinggeber die Versicherungsleistung auch in dem Fall zusteht, in welchem diese – wie vorliegend – den Wiederbeschaffungswert übersteigt, weil der Versicherer den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung des Leistungsnehmers auf Neupreisbasis reguliert, hat der BGH in der zitierten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen.
3. Das LG hat diese Frage mit dem 15. Zivilsenat des OLG Köln (Urt. v. 30.8.2019 – 15 U 47/18 n.v.) und dem OLG München (MDR 2019, 161) bejaht. In der Literatur wird sie hingegen zum Teil verneint, weil die Versicherungsleistung den Wiederbeschaffungswert übersteige und nicht Surrogat für das zerstörte oder entwendete Fahrzeug, sondern allein die Folge davon sei, dass der Versicherungsvertrag vom Leasingnehmer in dieser Weise abgeschlossen worden sei (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn L 595; Müller-Sarnowski DAR 2008, 147).
4. Der Senat schließt sich den Entscheidungen des 15. Zivilsenats des OLG Köln sowie der OLGe München und Düsseldorf (Urt. v. 26.2.2019 – I-24 U 70/18 n.v.) an, nach denen dem Leasinggeber auch die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Versicherungsleistung nach der Wertung des § 285 BGB zusteht.
a. Das OLG Düsseldorf hat hierzu u.a. ausgeführt:
“Auch soweit die Versicherungsleistung den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist sie weiterhin Surrogat für das entwendete Fahrzeug und nicht allein Folge davon, dass der Versicherungsvertrag eine solche Leistung vorsieht (OLG München BeckRS 2018, 31007). Das folgt daraus, dass der Leasinggeber jedenfalls bei einem Vertrag mit Kilometer-Abrechnung als juristischer und wirtschaftlicher Volleigentümer des Leasingobjekts stets alleiniger Berechtigter hinsichtlich der Chancen und Risiken ist, d...