ARB 2005 § 3 Abs. 5; VVG § 81
Leitsatz
Verbindet ein Arbeitnehmer ein Abfindungsverlangen gegenüber seinem Arbeitgeber mit Drohungen, so führt er den in der darauf folgenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu sehenden Rechtsschutzfall vorsätzlich herbei.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.2019 – 4 W 818/19
Sachverhalt
Der Bekl. begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen eine Rückforderung von Schadenszahlungen der Kl. aus einer zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherung.
Der Bekl. war vormals bei der D-Vertriebsgesellschaft tätig. Nachdem er seiner früheren Arbeitgeberin unter anderem am 19.9.2014 und am 14.10.2014 E-Mails übersandte, mit denen er zur Durchsetzung angeblicher Schadenersatzansprüche bestimmte Folgen androhte, sprach die Arbeitgeberin mehrere Kündigungen aus.
Für die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage leistete die Antragsgegnerin dem Antragsteller Rechtsschutz, ebenso im Widerspruchsverfahren gegen sechs Bescheide des Integrationsamtes, mit denen die Behörde den erfolgten sechs außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigungen des Arbeitgebers jeweils die Zustimmung erteilt hatte. Die Klage und die Widersprüche hatten keinen Erfolg.
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt die Kl. die Rückzahlung der für die Rechtsverfolgung aufgewendeten Zahlungen mit der Begründung, der Bekl. habe den Rechtsschutzfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt und sei daher nach den dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen gem. § 3 Abs. 5 ARB zur Rückzahlung der geleisteten Beträge verpflichtet.
2 Aus den Gründen:
"… Das LG hat zutreffend entschieden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Die Kl. kann sich auf die Ausschlussklausel nach § 3 Abs. 5 i.V.m. § 2b) ARB 2005 (Stand 01/2008) berufen."
Hiernach besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen, soweit der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel, die der alten Regelung in den ARB 75 entspricht, bestehen nicht. Sie entspricht inhaltlich der Vorschrift in § 81 VVG (vgl. hierzu van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, ARB 2012, Rn 54; …). Bei dieser Klausel handelt es sich um eine Risikobegrenzung, denn sie enthält eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, nicht aber fordert der Versicherer damit ein bestimmtes, vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers des Inhalts, den Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeizuführen. Vielmehr geht der Wille der Kl. erkennbar dahin, nur ausschnittsweise Deckung für Rechtsstreitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen zu gewähren, nicht aber sich die Möglichkeit offenzuhalten, einen an sich gegebenen Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entziehen zu können. Damit lag eine Risikobegrenzung vor (…).
Vorsätzlich verursacht ist ein Versicherungsfall, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall, der eine Interessenwahrnehmung gem. § 1 ARB notwendig macht, bewusst und gewollt durch eigenes Tun herbeigeführt hat (vgl. Harbauer, 6. Aufl., § 4 ARB 75, Rn 146). Die Klausel verlangt einen zumindest bedingten Vorsatz des Versicherungsnehmers, der mit dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt haben muss. Kündigt der Arbeitgeber dem Versicherungsnehmer mit der Begründung, dieser habe versucht, ihn zu erpressen oder zu nötigen, und hierdurch gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verstoßen, und erhebt der Versicherungsnehmer Kündigungsschutzklage, so kann er Deckungsschutz beanspruchen, wenn der Vorwurf des Arbeitgebers unbegründet oder nicht beweisbar ist (vgl. Harbauer, a.a.O., § 4, Rn 147 m.w.N.). Nicht ist zusätzlich erforderlich, dass der Kl. die notwendige Interessenwahrnehmung und die Kostenbelastung des Rechtsschutzversicherers in seinen Vorsatz mit aufgenommen hat (vgl. OLG Köln r+s 2004, 236).
Versicherungsfall war hier gem. § 1 ARB der von dem Bekl. angenommene Verstoß seiner damaligen Arbeitgeberin gegen Rechtspflichten und Rechtsvorschriften, der nach seiner Ansicht darin lag, dass ihm gegenüber eine unberechtigte Kündigung ausgesprochen worden sei. Das führte dem Grunde nach zu einer Verpflichtung der Kl. zur Tragung der in § 2 ARB aufgeführten Kosten, falls nicht – wie hier – ein Versagungsgrund vorlag.
Der Bekl. kann vorliegend keine Deckung durch die Kl. beanspruchen, denn er hat den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig verursacht, § 3 Abs. 5 ARB. Das ergibt sich daraus, dass er die die Interessenwahrnehmung gem. § 1 i.V.m. § 2b) ARB notwendig machende Kündigung seiner damaligen Arbeitgeberin bewusst und gewollt durch eigenes Tun herbeigeführt hat (vgl. auch Harbauer, a.a.O., § 4 ARB 75, Rn 146 m.w.N.). Von dem Vorliegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, der für die Kündigung seiner damaligen Arbeitgeberi...