Das OLG Brandenburg hat mit Urt. v. 11.4.2019 entschieden, dass ein Feststellungsurteil zur Verhinderung einer doppelten Inanspruchnahme des Schädigers immer die Anspruchsteile ausklammem muss, die eventuell bereits auf Dritte übergegangen sind oder künftig noch übergehen werden.
Die Vorinstanz (LG Cottbus) hatte wie folgt tenoriert:
Zitat
"Es wird festgestellt, dass die Bekl. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kl. sämtliche aus dem Verkehrsunfall vom … entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang nach § 86 VVG stattgefunden hat."
Das OLG Brandenburg hat als Berufungsinstanz den Tenor wie folgt abgeändert:
Zitat
"Es wird festgestellt, dass die Bekl. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kl. sämtliche aus dem Verkehrsunfall vom … 2017 gegen … Uhr auf der Kreuzung S … Straße/M … Straße in … entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit entstandene und noch entstehende Schadenersatzansprüche nicht im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden."
Das OLG Brandenburg begründet diese Beschränkung mit "der jedenfalls theoretischen Gefahr" einer doppelten Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten bzw. den Dritten, auf den kraft Gesetzes die Ansprüche übergegangen sind. Der Schädiger habe daher ein Interesse an der klaren Feststellung des gerichtlichen Anspruchs.
Hintergrund der Entscheidung des OLG Brandenburg sind die Vorschriften über den gesetzlichen Forderungsübergang. Die in der Praxis wichtigsten gesetzlichen Forderungsübergänge bei Haftungsfällen sind die des Sozialleistungsträgers gem. § 116 SGB X sowie die des (privaten) Versicherers gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.
Dabei ist zu beachten, dass der Forderungsübergang des Sozialleistungsträgers gem. § 116 SGB X bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses/Unfallereignisses erfolgt, sofern ein Sozialversicherungsverhältnis bereits besteht oder eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers nicht völlig unwahrscheinlich ist.
Dagegen erfolgt der Übergang gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den (privaten) Versicherer erst mit der tatsächlichen Leistung durch den Versicherer.
Der Entscheidung des OLG Brandenburg kann nicht gefolgt werden.
Soweit Ansprüche bereits übergegangen sind (z.B. die Ansprüche auf den Sozialversicherungsträger gem. § 116 SGB X, auf den Versorgungsträger des Bundes gem. § 81a BVG, auf den Dienstherrn gem. § 76 BBG), hatte der Geschädigte schon vom Unfallzeitpunkt an keine Ansprüche mehr. Er kann solche Ansprüche daher nicht mehr mit der Klage geltend machen. Der Zusatz ist überflüssig, aber unschädlich.
Soweit Ansprüche nach Erhebung der (Feststellungs-)Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung übergehen (etwa gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, weil er eine Leistung eines eigenen Versicherer erhält – z.B. des eigenen Kaskoversicherers oder privaten Krankenversicherers), ist der Geschädigte nicht mehr aktivlegitimiert. In diesem Fall muss er den Klageantrag, soweit übergegangene Ansprüche betroffen sind, auf Leistung an den Dritten/Versicherer bzw. Feststellung zugunsten des Dritten/Versicherers umstellen. Der gesetzliche Forderungsübergang auf den Dritten nach Rechtshängigkeit ist kein erledigendes Ereignis (wird in der Praxis häufig verkannt). Dies ergibt sich aus § 265 Abs. 2, Abs. 3 ZPO, der eine vorrangige, speziellere Regelung ist. Der Prozess wird dann wegen der übergegangenen Ansprüche kraft gesetzlicher Prozessstandschaft fortgeführt. Soweit Ansprüche nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. nach Erlass des Feststellungsurteils übergehen können (z.B. gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG), sind sie für das Feststellungsurteil bedeutungslos.
Vor der Gefahr einer (doppelten) Inanspruchnahme schützt den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer § 407 BGB (i.V.m. § 413 BGB):
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Bei Rechtsübergang vor Rechtshängigkeit wird der Schädiger/Schuldner, sofern er bei Eintritt der Rechtshängigkeit gutgläubig war, durch § 407 Abs. 2 BGB geschützt. |
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Bei Rechtsübergang nach Rechtshängigkeit ist 407 Abs. 2 BGB unanwendbar. Es gelten die §§ 265, 325 ZPO. Der Geschädigte muss den Antrag entsprechend den obigen Ausführungen umstellen; vorausgesetzt, der Forderungsübergang ist im Prozess bekannt. |
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Ist der Geschädigte gutgläubig, greift § 407 Abs. 1 BGB. Das gilt auch dann, wenn der Forderungsübergang zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem bereits ein beschränkungsloses Feststellungsurteil zugunsten des Geschädigten ergeht. |
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Erfährt er während des Rechtsstreits von dem Anspruchsübergang bzw. ist er bösgläubig (zum Maßstab siehe nachfolgend), kann er sich hierauf berufen oder nach §§ 72, 75 ZPO vorgehen. |
Dabei werden beim gesetzlichen Forderungsübergang (etwa gem. § 116 SGB X) geringere Anforderungen an die Kenntnis ("Bösgläubigkeit") gestellt als beim Forderungsübergang nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG oder etwa gem. §...