SGB X § 116; VVG § 86
Leitsatz
Besteht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schädigers aufgrund eines Verkehrsunfalls, sind bei der Fassung des Feststellungsurteils des Geschädigten gegen den Schädiger die Anspruchsteile auszuklammern, die eventuell auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Brandenburg, Urt. v. 11.4.2019 – 12 U 207/18
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall erwirkte der Kl. gegen den allein haftenden Bekl. Feststellungsurteile folgender sich aus der Anmerkung ergebender Inhalte.
Die Bekl. wenden sich gegen das Urteil mit der Begründung, das LG habe bei der Fassung des Feststellungsurteils nicht berücksichtigt, dass der Kl. für übergegangene oder künftig übergehende Ansprüche nicht aktivlegitimiert sei, sodass den Bekl. eine doppelte Inanspruchnahme drohe.
Die Berufung der Bekl. war erfolgreich. Sie führte zu der in der Anmerkung wiedergegebenen Fassung des Feststellungsausspruchs.
2 Aus den Gründen:
"…"
[13] Die Berufung der Bekl. ist form- und fristgelegt eingelegt und begründet worden. Die Bekl. beschränkten ihre Berufung darauf, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 3 des Urteiltenors die fehlende Aktivlegitimation des Kl. im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte nicht berücksichtige. Damit machen sie Rechtsfehler geltend, auf denen das Urteil beruhen kann.
[14] Die Bekl. sind trotz der Beschränkung der Berufung auf den Feststellungsantrag zu Ziffer 3 des Urteiltenors beschwert. Denn nach dem Wortlaut der Entscheidung ist nicht auszuschließen, dass ihnen eine doppelte Inanspruchnahme durch den Kl. und Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte droht. Insoweit liegt die Beschwer jedenfalls über 600 EUR, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und auch ein Rechtsschutzinteresse vor. Allein der Hinweis des Kl. auf einen möglichen Erfüllungseinwand oder eine notwendige strafrechtlich relevante Handlung des Kl. im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen, die ihm aufgrund des gesetzlichen Forderungsüberganges nicht zustünden, steht der jedenfalls theoretischen Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme nicht entgegen. Insoweit besteht jedenfalls ein Interesse an der klaren Fassung des gerichtlichen Ausspruchs.
[15] Die gegenständlich beschränkte Berufung der Bekl. ist begründet.
[16] Im Grundsatz unbeanstandet lassen die Bekl. die Zulässigkeit und Begründetheit das Feststellungsantrages. Gegen den Ausspruch des LG ist insoweit auch rechtlich nichts einzuwenden. Indem das LG den Ausspruch lediglich insoweit beschränkt, als kein Forderungsübergang nach § 86 VVG stattgefunden hat, greift es zu kurz. Denn darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Leistungen Dritter, wie z.B. der Sozialversicherungsträger, für die ebenfalls ein gesetzlicher Forderungsübergang in Betracht kommt. Insoweit fehlt dem Kl. die Aktivlegitimation. Denn § 86 VVG gilt seiner Stellung nach nur für die Schadensversicherung und über § 194 VVG auch für bestimmte Krankenversicherungsverhältnisse durch Privatversicherungsträger (Peters-Lange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 116 SGB X Rn 5; Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Aufl. 2018, VVG § 86 Rn 3-5). Soweit bei Personenschäden Dritte eintreten und den Schaden (teilweise) ersetzen, etwa der Arbeitgeber durch Entgeltfortzahlung oder ein Sozialversicherungsträger, sind die gesetzlichen Anspruchsübergänge zu beachten (Reichel in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 86 VVG, Rn 10). Der Geschädigte ist aufgrund der Legalzession dann zur Geltendmachung der Ansprüche nicht aktivlegitimiert. Er kann auch nicht als Prozessstandschafter auf Leistung an den Sozialversicherungsträger klagen; eine gewillkürte Prozessstandschaft scheidet mangels rechtlichen Interesses des Geschädigten an der Durchsetzung des übergegangenen Anspruchs aus (Greger/Zwickel in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 32, Rn 86). Diese Beschränkung ist im Feststeller auszusprechen.
[17] Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
[18] Bei der Bemessung des Streitwertes hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen.
[19] Für positive Feststellungsklagen orientiert sich der Streitwert i.d.R. an einem denkbaren Leistungsantrag unter Abschlag von 20 %. Dabei handelt es sich aber nur um einen Anhalt für den Regelfall; denn bei jeder nach § 3 ZPO vorzunehmenden Bewertung ist vor allem auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, soweit sie für das wirtschaftliche Interesse des Kl. an der Erreichung des prozessualen Ziels von Bedeutung sind. So bemisst sich der Streitwert nicht nur am konkreten wirtschaftlichen Interesse der Partei, sondern auch danach, wie hoch oder wie gering das Risiko eines Schadenseintrittes und einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist. Denn die Bedeutung eines solchen Feststellungsausspruches ist zwangsläufig größer, wenn der Schaden in absehbarer Zeit erkennbar droht, als dann, wenn es sich nur um eine entfernt liegend...