BGB § 307 Abs. 1; AVB Reiserücktrittskosten Ziff. 2 b
Leitsatz
1. Die Klausel einer Reiserücktrittskostenversicherung, nach der Deckung für einen dem Reisenden bekannten "medizinischen Zustand", der innerhalb bestimmter Zeiträume vor Buchung der Reise behandelt oder untersucht worden ist, ausgeschlossen ist, ist intransparent.
2. Der Versicherer darf eine Leistung nicht kürzen, wenn die Buchung nicht nur für den Versicherten, sondern auch für eine dritte, nicht versicherte Person erfolgt ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Frankfurt, Urt. v. 13.5.2019 – 30 C 3330/18
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl. die Zahlung von Stornierungskosten i.H.v. 2.550 EUR aus einer Reiserücktrittskostenversicherung. Er ist – über einen Kreditkartenvertrag – seit dem Jahr 2000 versicherte Person im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrags. Nach den für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen AVB tritt die Bekl. unter anderem für Stornierungskosten ein, die entstehen, weil die versicherte Person vor der Reise erkrankt (Ziff. 1.2 AVB). Für "Kosten infolge von Vorerkrankungen" (Ziff. 2.1 AVB) sind Leistungen ausgeschlossen. Der Begriff "Vorerkrankung" ist in den Bedingungen definiert:
Zitat
"“Vorerkrankung' bedeutet:"
Ein bereits vorher bekannter medizinischer Zustand, der Ihnen bekannt war, als Sie Ihre C … -Card und andere Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten bzw. vor der Buchung Ihrer Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, und weswegen Sie:
▪ |
während der letzten 12 Monate einen Krankenhausaufenthalt hatten, Testergebnisse erwarten oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung stehen, |
▪ |
innerhalb der letzten 3 Monate begonnen haben, Medikamente einzunehmen, oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben haben, |
▪ |
alle 12 Monate oder häufiger eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigen, |
▪ |
die Prognose “unheilbar' und/oder “chronisch' erhalten haben.“ |
Der Kl. buchte am 20.3.2018 für den Zeitraum 16.-21.4.2018 ein Hotelzimmer auf Capri zum Preis von 2.550 EUR für sich und die Mitreisende X. Am 11.4.2018 begab er sich wegen akuter Rückenbeschwerden zu einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, der ihm eine akute Lumbago diagnostizierte. Aufgrund der Erkrankung musste der Kl. die Reise stornieren und den vollen Buchungspreis als Stornierungskosten entrichten.
Die Bekl. holte eine Stellungnahme des behandelnden Arztes ein. Dieser gab an, seit dem 18.1.2016 behandelnder Arzt des Kl. zu sein. Auf die Frage: "Werden alle 12 Monate oder häufiger medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchungen benötigt?" ist angegeben: "Ab und an eine Spritze (Neuraltherapie)". Auf die Frage: "Wurde bei dem Patienten die Prognose “unheilbar' und/oder “chronisch' festgestellt?" ist angegeben: "Chronisch: Ja".
2 Aus den Gründen:
"… Der Kl. hat Anspruch auf die Versicherungsleistung aus der Reiserücktrittskostenversicherung i.H.v. 2.550 EUR gegen die Bekl. gem. § 1 S. 1 Var. 2, § 43 ff., §§ 74 ff. VVG."
Dem Kl. stehen als versicherte Person die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu (§ 44 Abs. 1 S. 1 VVG). Gem. Ziff. 1.2 der AVB tritt die Bekl. für Stornierungskosten infolge einer Erkrankung der versicherten Person ein. Der Kl. ist als versicherte Person akut erkrankt und konnte deshalb die Reise nicht antreten. Hierfür hatte der Kl. 2.550 EUR Stornokosten zu zahlen, was er mittels der Kartenzahlung auch tat. (…)
Die Bekl. kann sich ferner nicht auf eine Leistungskürzung berufen, weil der Kl. ein Doppelzimmer gebucht hat und noch eine weitere Mitreisende dieses Zimmer bestimmungsgemäß nutzen sollte. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, dass nach dem zwischen dem Kl. und dieser Person bestehenden Innenverhältnis die Mitreisende überhaupt an den Kosten der Reise beteiligt werden sollte. Insoweit steht es dem Kl. im Rahmen seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit zu, die Reisekosten allein zu übernehmen. Hinweise auf eine Kostentragungspflicht der Mitreisenden im Außenverhältnis ergeben sich weder aus dem vorgelegten Schriftverkehr noch aus der Abrechnung der Unterkunft. Vertragspartner ist danach allein der Kl. geworden, der auch die Stornokosten selbst bezahlt hat. Eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf anteilige Leistung nach Anzahl der Reiseteilnehmer ist den Versicherungsbedingungen ebenfalls nicht zu entnehmen. Hiernach ist allein maßgeblich, dass es sich bei der erkrankten und zurücktretenden Person um die versicherte Person handelt und die von der versicherten Person gebuchte Reise betroffen ist. Gegenüber Buchungsmodellen, bei denen der Buchende lediglich als verdeckter Stellvertreter für nicht versicherte Personen auftritt, kann sich der Versicherer ausreichend dadurch schützen, dass er sich Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen Dritte abtreten lässt (vgl. auch § 86 VVG und Ziff. 7 AT-Reise 2008).
Dem Anspruch des Kl. steht auch nicht die verwendete Risikoausschlussklausel für Vorerkrankungen entgegen. Die verwendete Klausel ist nicht klar und verständlich und deshalb unwir...