Vgl. BGH zfs 2015, 266
OLG Hamm zfs 2015, 145
1) Der Auktionsvorgang bei einer ebay-Abmachung stellt sich als ein aus Angebot des Verkäufers und Anbieters und Annahme des Bieters zu beurteilender Kaufvertrag dar (vgl. BGH NJW 2002, 368). Die Entscheidung des BGH vom 2.5.2019 schließt an das Urteil vom 23.9.2015 an und erörtert den Zusammenhang zwischen taktischen Überlegungen des Anbieters und dem häufigen Versuch von Bietern, als "Abbruchjäger" tätig zu werden. Legt der Anbieter einen solchen Startpreis – wie hier – zugrunde, der nicht dem Verkehrswert des angebotenen Objektes entspricht, kann er statt des erwünschten Anlockens von Bietern und der erhofften Preissteigerung eine Enttäuschung erleiden.
Versuche der Anbieter, aufgrund der gänzlich unzulänglichen Gebote das eigene Angebot als unwirksam zu bezeichnen, sei es, dass das Gebot als Scherzerklärung (§ 118 BGB) oder als Scheinerklärung (§ 117 BGB) gewertet wird, sind fehlgeschlagen. Mit der allzu niedrigen Bestimmung des Startpreises geht der Anbieter bewusst ein Risiko ein, dessen Verwirklichung er nicht den anderen Teilnehmern an der ebay-Auktion auferlegen darf. So kann er nicht nur Bieter anlocken, sondern auch ebay-Gebühren sparen, deren Höhe sich am Startpreis orientiert (vgl. BGH ZIP 2015, 41 Rn 14; OLG Hamm zfs 2015, 145; Litzenberger EWir 2015, 179; Gaski EWiR 2019, 689). Jedenfalls dürfen diese mehr oder weniger erkennbaren Motive des Anbieters nicht dadurch belohnt werden, dass er von seiner Bindung freikommt.
Frei werden von seiner Bindung an das von ihm abgegebene Angebot kann der Anbieter nur, wenn ihm ein gesetzliches oder durch die der Auktion zugrunde liegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen gewährtes Lösungsrecht zusteht.
In der Entscheidung des BGH vom 23.9.2015 werden beispielhaft Anfechtung, Rücktritt und § 9 Nr. 11 der ebay-Bedingungen genannt – Fallkonstellationen, die gehäuft nicht vorliegen werden.
2) Steigt der Anbieter aus dem Auktionsvorgang aus, liegt ohne diese Lösungsgründe eine unberechtigte Angebotsrücknahme vor. Fehlt ein solcher Grund für den Abbruch der Auktion, kann der Bieter grds. Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (vgl. OLG Hamm zfs 2015, 145).
Der das Erfüllungsinteresse des Bieters umfassende Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 I und III, 281 I BGB ist nur dann ausgeschlossen, wenn dem Bieter ein Rechtsmissbrauch gem. § 242 BGB vorzuwerfen ist. Zur Bewältigung dieser Konstellation ist der Begriff des "Abbruchjägers" entwickelt worden, mit dem solche Bieter bedacht werden, die im ebay-Verfahren bieten, ohne ein Interesse am Erfolg des Gebotes zu haben. Ihnen geht es um den Profit, den sie aus dem Scheitern der Auktion und dem rechtswidrigen "Fluchtversuch" des Anbieters ziehen wollen (vgl. Oechsler/Dörrhöfer NJW 2019, 3105; Omlor JuS 2019, 903; Kopp/Ritter MMR 2016, 793; Pfeiffer NJW 2017, 1437). Der BGH hatte in einem obiter dictum die Berufung eines Abbruchjägers auf sein früheres Gebot als rechtsmissbräuchlich bezeichnet (vgl. BGH WM 2016, 2145 Rn 13; Omlor a.a.O.).
Große Sympathie ist dem Einwand des Rechtsmissbrauchs, dem Ausschluss des an sich verwirkten Schadensersatzanspruchs, nicht entgegen zu bringen. Ein redlicher, mit den Usancen des Auktionsverfahrens nicht vertrauter Bieter wird nicht als möglicher Abbruchjäger angesehen werden können. Der zu Unrecht aus der Auktion aussteigende Anbieter hat durch sein Taktieren die ihm nachteilige Situation herbeigeführt. Andererseits ist selbst der bösgläubige Bieter, der auf ein Scheitern der Auktion setzt, "unverzichtbar" (Oechsler/Dörrhöfer NJW 2019, 3105 [3108]), weil er damit als Sachwalter des UWG auftritt, auch wenn dies nur ein nicht im Vordergrund stehendes Moment ist. Von großer Bedeutung sind die Ausführungen des BGH zur Indizbewertung der behaupteten Abbruchjagd (Rn 24 der Entscheidung vom 2.5.2019).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 1/2020, S. 22 - 25