BGB § 249 Abs. 2 § 843 Abs. 4
Leitsatz
Der Geschädigte, der im Wege der konkreten Schadensberechnung Ersatz der Kosten für ein fabrikneues Ersatzfahrzeug begehrt, muss sich einen Nachlass für Menschen mit Behinderung anrechnen lassen, den er vom Hersteller aufgrund von diesem generell und nicht nur im Hinblick auf ein Schadensereignis gewährter Nachlässe erhält.
BGH, Urt. v. 4.7.2020 – VI ZR 268/19
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, für den die Bekl. in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Das bei dem Unfall erheblich beschädigte Fahrzeug war 13 Tage vor dem Unfall zugelassen worden und wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 356 km auf. Beim Erwerb des Fahrzeuges hatte die Kl. einen von dem Fahrzeughersteller generell gewährten Rabatt von 15 % für Menschen mit Behinderung erhalten. Der Nachlass wurde unter der Bedingung gewährt, dass das Fahrzeug von dem Erwerber mindestens sechs Monate nach der Lieferung gehalten wird. Die Kl. unterzeichnete eine Verpflichtungserklärung, die folgenden Wortlaut hatte:
"… dass das von mir bestellte, fabrikneue Fahrzeug – von mir für mindestens 6 Monate nach Lieferung genutzt wird. Den mir gewährten Nachlass in Höhe von 15 % werde ich zurückzahlen, falls das Fahrzeug nicht bestimmungsgemäß verwendet oder vor Ablauf der 6-monatigen Frist von mir veräußert wird."
Die Kl. bestellte nach dem Unfall und der Veräußerung ihres beschädigten Fahrzeuges ein fabrikneues Ersatzfahrzeug zu einem Bruttopreis von 31.865,01 EUR und erhielt einen Nachlass von 15 %.
Nach Klageänderungen, Teilzahlungen, und Teilerledigungen wies das LG die Klage mit der Begründung ab, aufgrund der Rabattgewährung bei der Neuanschaffung habe die Kl. keinen noch zu berücksichtigenden Schaden erlitten. Das billigte die vom LG zugelassene Revision.
2 Aus den Gründen:
"…"
[6] I. Das BG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kl. sei auf der Basis der Differenzhypothese durch das Unfallereignis kein Schaden in Höhe des gewährten Rabatts entstanden. Denn sie habe diesen Rabatt sowohl für den kurz vor dem Unfall angeschafften Neuwagen als auch für die durchgeführte Ersatzbeschaffung nach dem Unfall erhalten. Daher habe sie rein rechnerisch keine über die von den Bekl. geleisteten Zahlungen hinausgehende unfallbedingte Vermögenseinbuße erlitten.
[7] Das Gericht habe sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass besondere Wertungsgesichtspunkte es erforderlich machten, in Höhe des erlangten Rabatts eine weitere Entschädigung zuzusprechen. Dabei werde berücksichtigt, dass der Rabatt aufgrund ungünstiger gesundheitlicher Umstände der Kl. persönlich gewährt worden sei. Es handele sich um die Leistung eines Dritten, die dieser Menschen mit Behinderungen freiwillig und nur unter bestimmten Voraussetzungen erbringe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit müsse mindestens 50 % betragen, der Rabatt könne nur im Neuwagengeschäft beansprucht werden, die Kl. müsse das Fahrzeug nach der Zulassung mindestens sechs Monate selber halten und könne im Kalenderjahr nur zwei Fahrzeuge mit diesem Rabatt erwerben. Damit hänge die Rabattierung von besonderen persönlichen Merkmalen der Geschädigten ab und sie diene nicht dazu den Schädiger zu entlasten.
[8] Es sei allerdings auch nicht festzustellen, dass der Rabatt vorrangig eine soziale Funktion habe oder eine freigebige Leistung sei. Es falle zwar auf, dass lediglich zwei große Autohersteller Menschen mit Behinderungen auch ohne Verhandlungsgeschick einen fest voreingestellten Rabatt gewährten. Auch unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung vermöge das Gericht darin aber keine freigebige Leistung durch einen Dritten zu erkennen. Solche seien dem gewerblichen Warenverkehr regelmäßig wesensfremd. Ebenso naheliegend sei, dass es sich um ein von einer sozialen Komponente mitbestimmtes Element der Absatzförderung und der Kundenbindung handele. Das Gericht ordne den der Kl. gewährten Rabatt daher rechtsähnlich dem Werksangehörigenrabatt ein, weil die Kl. den Rabatt ohne weitere Anstrengungen erneut erzielen könne.
[9] II. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
[10] 1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr. vgl. etwa Senat v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19, VersR 2020, 174 = NJW 2020, 144 Rn 8 m.w.n.).
[11] 2. Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
[12] a) Dass der Kl. ein Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten für das fabrikneue gleichwertige Ersatzfahrzeug im Grundsatz zusteht, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie streiten lediglich darüber, ob die Kl. berechtigt ist, zusätzlich zu den von ihr konkret aufgewendeten Anschaffungskosten die Zahlung eines Geldbetrages...