BGB § 435
Leitsatz
Eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel dar, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet. Allein ein bei Gefahrübergang vorliegendes tatsächliches Geschehen, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer SIS-Eintragung führt, genügt demgegenüber nicht.
BGH, Urt. v. 26.2.2020 – VIII ZR 267/19
Sachverhalt
Der Kl. kaufte von der Bekl. einen gebrauchten Pkw zum Preis von 36.250 EUR. Der Kaufpreis wurde bezahlt und das Fahrzeug mit einer von der Stadt Köln ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, nach der der Bekl. als Eigentümer eingetragen war, an den Kl. übergeben. Zwanzig Monate später wurde der Kl. mit dem Fahrzeug auf der Rückfahrt aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Ihm wurde mitgeteilt, dass das Fahrzeug mit der Begründung beschlagnahmt werde, dass es auf der Grundlage einer Interpol-Meldung in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht sei. Dem Kl. wurde über das Polizeipräsidium Dortmund mitgeteilt, dass das Fahrzeug nach der Beschlagnahme im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben worden sei, als Fahrzeughalter in Rumänien schon Jahre vor dem Besitzerwerb des Kl. ein Unternehmen E und A als Besitzerin gemeldet worden sei. Das Kfz wurde an das Unternehmen herausgegeben.
2 Aus den Gründen:
"…"
[11] II. (…) Mit der von dem BG gegebenen Begründung kann ein Rückzahlungsanspruch des Kl. aus § 346 Abs. 1 BGB aufgrund eines wirksamen Rücktritts wegen des Vorliegens eines Rechtsmangels (§§ 437 Nr. 2, 435 S. 1, 440, 323 BGB) nicht bejaht werden. Entgegen der Auffassung des BG liegt ein Rechtsmangel nicht vor.
[12] 1. Nach § 435 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.
[13] Wie das BG im Ansatz zutreffend erkannt hat, können öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen oder Bindungen in Bezug auf die Kaufsache einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 BGB begründen, soweit sie nicht an deren Beschaffenheit anknüpfen; im letzteren Fall kann ein Sachmangel vorliegen (Senat NJW 2017, 1666 Rn 18 ff.). Dementsprechend hat der Senat die im Zeitpunkt des Gefahrübergangs aufgrund einer wegen des Verdachts eines Eigentumsdelikts bestehende Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) als Rechtsmangel angesehen (Senat NJW 2017, 1666 Rn 14, 22 ff.; NJW 2017, 3292 Rn 10). Denn mit der SlS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs zur Fahndung ist die konkrete, im gesamten Schengen-Raum bestehende Gefahr verbunden, dass das Fahrzeug bei einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle von staatlichen Behörden rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird (Senat NJW 2017, 1666 Rn 24) mit der Folge, dass es der Käufer – unabhängig von einem etwaig bestehenden, für die Beurteilung eines Rechtsmangels nicht maßgebenden Eigentumsherausgabeanspruch eines (Vor-)Eigentümers – nicht mehr ungestört im In- und Ausland nutzen kann (Senat NJW 2017, 1666 Rn 22, 28).
[14] 2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist – wie die Revision zu Recht rügt – hingegen die Auffassung des BG, ein solcher Rechtsmangel liege hier deshalb vor, weil der Sachverhalt, der zu der – weit nach der (anlässlich des Fahrzeugkaufs am 12.7.2011) erfolgten Übergabe des Fahrzeugs erfolgten – Eintragung des Audi Q7 am 22.5.2014 in das SIS geführt hat, bereits am 12.7.2011 vorgelegen habe. Entgegen der Ansicht des BG liegt ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang nicht schon dann vor, wenn die letztlich zur späteren Eintragung in das SIS führende Ausgangslage – hier die nicht erfolgte Rückgabe des im Jahr 2009 als Leasingfahrzeug in Rumänien genutzten Audi Q7 an die Leasinggeberin – bereits bei der nach § 446 S. 1 BGB den Gefahrübergang herbeiführenden Übergabe des Fahrzeugs bestanden hat.
[15] Der Senat hat in seiner bisherigen Rspr. zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senat NJW 2017, 1666 Rn 14; NJW 2017, 3292). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss.
[16] An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SIS-Fahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist (hie...