StVG § 7 § 17
Leitsatz
1) Wird ein Kfz im Straßenverkehr zur Schaffung eines Hindernisses eingesetzt und dadurch eine Kollision mit einem anderen Kfz herbeigeführt, wird hierdurch keine Gefahr herbeigeführt, die mit dem üblichen Verkehr eines Kfz nach § 7 StVG verbunden ist.
2) Wird im Straßenverkehr durch Platzierung eines Kfz ein Hindernis bereitet, um einen vor körperlicher Auseinandersetzung mit seinem Fahrzeug Flüchtenden anzuhalten, haftet der das Hindernis Bereitende allein für die Folgen einer Kollision.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 22.1.2020 – 14 U 173/19
Sachverhalt
Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme ermittelte das LG Grund und Ablauf eines Kollisionsgeschehens, bei dem ein von dem Kl. einer Bank sicherungsübereigneter Audi A 6 beschädigt wurde. Im Rahmen einer familieninternen Auseinandersetzung verfolgte D.T. mit einem Pkw Daimler C. und seine Freundin, die mit dem Toyota vor D.T. flüchteten, den D.T. anhalten wollte, um C. zu verprügeln. Das sicherungsübereignete Fahrzeug des Kl. wurde so platziert, dass es auf der Fluchtstrecke von C. zwischen einer Verkehrsinsel und dem Straßenrand ein Hindernis bildete.
Der Audi erlitt einen massiven rechtsseitigen Anstoß gegen das Heck. Die Klage auf Verurteilung des Bekl. zum Ersatz des Schadens blieb vor dem LG erfolglos. Das LG ging nach einer eingehenden Beweisaufnahme von einer außer Kontrolle geratenen Flucht von C. aus, der zu der Kollision mit dem als Hindernis platzierten Audi getrieben worden sei. Diese Beweiswürdigung billigte das BG ebenso wie einen von dem LG angenommenen Ausschluss der Haftung von C. Die Berufung des Kl. hatte damit keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"…"
[27] Grundsätzlich haftet die Bekl. gem. § 115 Abs. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG für die Schäden, die dem Kl. als Halter des Audi A 6 durch den Betrieb des Toyota Yaris am 18.7.2018 entstanden sind. Denn die Bekl. ist die Haftpflichtversicherung der Halterin des Toyota Yaris – Firma S. GmbH –, die den Pkw an B.C. und R.K. vermietet hatte.
[28] Wenngleich der Begriff “bei dem Betrieb' i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG weit zu fassen ist (BGH, VersR 2005, 992; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., Bearbeiter König zu § 7 StVG Rn 4 m.w.N.) und das Beklagtenfahrzeug auf das Klägerfahrzeug aufgefahren ist, verneint der Senat vorliegend die Haftung der Bekl. aus § 7 Abs. 1 StVG. Denn nach der Rspr. des BGH (Urt. v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, Rn 17, zitiert nach juris) muss es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (ebenso: BGHZ 37, 311 (315); BGHZ 79, 259 (262); BGH, VersR 1989, 923 (924); BGH VersR 1991, 111 (112)). Das ist hier nicht der Fall.
[29] Die Gefährdungshaftung beruht auf dem Gedanken sozialer Verantwortung für eigene Wagnisse; sie bezweckt den Ausgleich für Schäden aus den durch zulässigen Betrieb eines Kfz oder Kraftfahrzeuganhängers entstehenden Gefahren (BGH, VersR 2005, 992; Hentschel/König/Dauer, Bearbeiter König zu § 7 StVG Rn 1 m.w.N. – Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Anwendung die verletzte Norm erlassen worden ist (BGH, Urt. v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, Rn 13, zitiert nach juris). Hier ist die Kollision dadurch entstanden, dass die Cousins des Kl. den Führer des Beklagtenfahrzeugs in die Kollision mit dem Kfz getrieben und den Audi A 6 bewusst als Hindernis für das Beklagtenfahrzeug benutzt haben. Damit hat sich keine der allgemeinen Gefahren verwirklicht, die üblicherweise mit dem Betrieb eines Kfz zusammenhängen, und für deren Regelung § 7 Abs. 1 StVG geschaffen worden ist. Der Zeuge C. ist mit dem Beklagtenfahrzeug vor der Aggression seiner Cousins (Steinewerfen am Bahnhof) geflohen. Er war seinen eigenen unwiderlegten Angaben zufolge darum bemüht, eine persönliche Auseinandersetzung mit seinen Familienmitgliedern zu vermeiden. Letztlich wurde er von ihnen auf ein vom Zeugen T.T. aufgebautes Hindernis – dem Klägerfahrzeug – zu getrieben und daran gehindert, dieses Hindernis zu umfahren. Seine Fahrweise war mithin von seinen Familienmitgliedern in einer Art und Weise beeinflusst worden, die seiner freien Willensbestimmung entgegenstand und mit den üblichen Gefahren im Straßenverkehr nichts mehr zu tun hatte.
[30] Eine Haftung der Bekl. aus § 7 Abs. 1 StVG ist folglich zu verneinen. Schon deshalb war die Klage abzuweisen. Das benachteiligt den Kl. auch nicht unangemessen. Denn ihm dürften Schadensersatzansprüche gegenüber, seinem Bruder und seinen Cousins aus § 823 BGB zustehen, weil diese mit ihrem Verhalten die Beschädigung seines Fahrzeugs in Kauf genommen (dolus eventualis) haben. Gegen eine Haftung der Bekl. spricht auch der Rechtsgedanke des § 103 VVG, wonach der VR von der Versicherungsleistung befreit ist, wenn...