Diese Sachkunde hat mich denn auch sehr beeindruckt, als ich gleich nach den Gerichtsferien am 15.10.1991 an zwei grundlegenden Urteilen zur Kfz-Reparatur mitgewirkt habe – Stichworte: Reparatur oder Ersatzbeschaffung sowie die 130 % Grenze bei den Reparaturkosten. Jetzt ging es also um die Höhe des Schadens, um deren genaue Erfassung sich der Senat in zahllosen Entscheidungen bemüht hat.
Die in Band 115 der amtlichen Sammlung abgedruckten Urteile sind von großer Bedeutung für die Entwicklung des Kfz-Schadensersatzes. Freilich war nicht alles neu (wenn auch für mich) und der Senat konnte in vielen Punkten an seine bisherige Rechtsprechung anknüpfen. Aber diese Urteile zeigen exemplarisch, was der Senat den gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz abgewonnen hat, insbesondere der Regelung in § 249 BGB, die denn auch als "Magna Charta" des Schadensersatzes bezeichnet werden kann. In beiden Urteilen hat der Senat erneut die Gelegenheit ergriffen, die eher knappe Regelung des Schadensersatzes im Gesetz durch die Entwicklung zusätzlicher Kriterien anzureichern und damit die Schadensabwicklung in der Praxis zu erleichtern.
Beim ersten Urteil – VI ZR 314/90 – war der Fall nicht alltäglich und es ging auch um eine Menge Geld. Bei dem Unfall hatte ein Opel Manta bei einer Vorfahrtverletzung den Porsche 911 Turbo Coupé des Klägers beschädigt, der ihn für mehr als 93.000 DM reparieren ließ und daneben eine Wertminderung von 5.000 DM geltend machte. Für die Reparaturdauer von mehr als sechs Wochen hatte der Kläger einen Mercedes 300 E für ca. 20.500 DM gemietet und verlangte noch Nutzungsausfall für weitere 12 Tage in Höhe von 1.680 DM. In den Vorinstanzen hatte er nur teilweise Erfolg. Insbesondere hat das Berufungsgericht den Fahrzeugschaden auf nur 75.000 DM bemessen, weil das den Kosten einer Ersatzbeschaffung entspreche. Auf die Revision hat ihm der VI. Zivilsenat die vollen Reparaturkosten zuzüglich einer Wertminderung von 5.000 DM zugebilligt mit der Begründung, dass dieser Aufwand einer Wirtschaftlichkeitsprüfung standhalte.
Die fünf Leitsätze geben die Grundprinzipien so prägnant wieder, dass ich sie im Wortlaut zitiere:
1) Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs bildet auch die Beschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs eine Form der Naturalrestitution.
2) Der Geschädigte muss bei der Frage, ob er sein beschädigtes Kraftfahrzeug reparieren lassen oder sich ein Ersatzfahrzeug anschaffen soll, einen Vergleich der Reparaturkosten (einschließlich eines etwaigen Minderwerts) mit den Wiederbeschaffungskosten anstellen. Dabei erscheint es aus Gründen der einfachen und praktikablen Handhabung vertretbar, auf der Seite der Ersatzbeschaffung den Restwert des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen und allein auf den Wiederbeschaffungswert abzustellen.
3) Der hohe Stellenwert des Integritätsinteresses rechtfertigt es, dass der Geschädigte für die Reparatur des ihm vertrauten Fahrzeugs Kosten aufwendet, die einschließlich des etwaigen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert bis zu einer regelmäßig auf 130 % zu bemessenden "Opfergrenze" übersteigen.
4) Der Vergleich von Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungswert kann seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren, wenn die Mietwagenkosten bei der Reparatur in krassem Missverhältnis zu denjenigen bei einer Ersatzbeschaffung stehen.
5) Wählt der Geschädigte den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, so geht ein von ihm nicht verschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers.
Mit dem ersten Leitsatz – Ersatzbeschaffung ist eine Form der Naturalrestitution – setzt der Senat seine bisherige Rechtsprechung fort. Danach beschränkt sich das Ziel der Restitution nicht auf eine Wiederherstellung der beschädigten Sache, sondern besteht in umfassenderer Weise gem. § 249 Satz 1 BGB darin, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht. Für die Ersatzbeschaffung erklärt Steffen das in seinem grundlegenden Aufsatz zum normativen Verkehrsunfallschaden mit der Transportfunktion des Unfallwagens, weil auch diese Funktion durch den Unfall beschädigt worden ist. Dass der Geschädigte zwischen Reparatur und Ersatzbeschaffung wählen kann, folgt aus seiner Dispositionsfreiheit. Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz, den der Senat immer wieder betont und den der Gesetzgeber bei der Reform des Schadensersatzrechts ausdrücklich gebilligt hat. Dieser Grundsatz ergibt sich aus § 249 Satz 2 a.F. BGB – nunmehr § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB –, wonach der Geschädigte vom Schädiger den Geldbetrag verlangen kann, der zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlich ist. Diese Ersetzungsbefugnis erlaubt dem Geschädigten, den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger zu verlangen, ohne ihm Rechenschaft über die Verwendung dieser Mittel ablegen zu müssen. Der Schädiger hat also nicht das faktisch Aufgewendete zu erstatten, sondern dem Ge...