Als ich für diesen Vortrag die Urteile zu Verkehrssicherungspflichten durchgesehen habe, fiel mir wieder ein, wie sehr sich in den Beratungen die Unterschiede im persönlichen Sicherheitsbedürfnis der Senatsmitglieder abgezeichnet haben, die es auf einen Nenner zu bringen galt. Dabei war es dem Senat stets ein Anliegen, durch die Entwicklung spezieller Verkehrssicherungspflichten seiner Aufgabe zur Verhaltenssteuerung nachzukommen, etwa mit den Urteilen zur fachmännischen Überprüfung der Reifen eines Gebrauchtwagens, zu Betonpollern auf Fußgängerüberwegen, zur Absicherung von Sportplätzen und von Gartenteichen gegenüber Kleinkindern sowie ganz allgemein im baulichen Bereich. Hervorheben möchte ich ein Urteil vom März 1995 zur Sicherungspflicht der Bahn für die elektrische Oberleitung von Eisenbahnwaggons. Hier war es schon mehrfach zu Unfällen gekommen, weil spielende Kinder abgestellte Waggons erklettert hatten, dabei an die Oberleitung geraten und zu Schaden gekommen waren. Der Senat nahm Bezug auf seine umfangreiche Rechtsprechung zu Kinderunfällen, wonach ein Grundstückseigentümer sich nicht darauf verlassen kann, dass Kinder sich nicht unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben. Ebenso wie das Berufungsgericht kam er zum Ergebnis, dass die im Bereich der Stegleiter angebrachten Warnpfeile nicht hinreichend erkennen ließen, dass die Gefahr eines elektrischen Schlags gerade von der räumlich nicht mit den Waggons zusammenhängenden Oberleitung ausgeht. Er hat deshalb den Grundsatz aufgestellt, dass die eigentliche Gefahrenquelle – etwa durch ein Piktogramm – so genau dargestellt werden muss, dass sie auch für Kinder erkennbar ist. Aber im Ergebnis hatte die Revision dennoch Erfolg – und darin liegt die besondere Bedeutung dieses Urteils –, weil für den konkreten Fall ein Verschulden der Bahn verneint wurde. Die Revision konnte sich nämlich auf kurz zuvor veröffentlichtes Urteil des OLG Hamm berufen, in dem die Warnung durch Blitzpfeil für ausreichend erachtet worden war. Weil der Senat dieses Urteil durch Nichtannahme der Revision gebilligt hatte, bestand nunmehr Anlass zur Klarstellung, dass die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht erst jetzt verschärft worden seien. Bis dahin hatte sich mithin die Bahn auf die Rechtsprechung verlassen können, so dass ihr kein Verschulden vorgeworfen werden konnte, sondern sich ihre Haftung nur aus § 1 HaftpflG ergab. Ich erwähne dieses Urteil zum einen wegen der zeitlichen Zäsur bei den Verkehrssicherungspflichten, für die ich kein weiteres Beispiel gefunden habe, aber auch zur Verdeutlichung, was alles bei einer Änderung der Rechtsprechung zu bedenken ist.