1. Grundfragen des Schadensersatzes
Wenn ich die Grundfragen des Schadensersatzes erwähnt habe, so meine ich damit den Grund und die Höhe der Haftung, die immer wieder zur Debatte standen und mit immer neuen Fällen Anlass zur Fortentwicklung der Rechtsprechung geben. Beim Grund geht es bekanntlich um die Frage, ob das Verhalten des Schädigers für den schädlichen Erfolg ursächlich geworden ist, was ja die Voraussetzung jeglicher Haftung bildet. Hier hat die Entwicklung von der ursprünglichen Äquivalenztheorie zur nunmehr herrschenden Adäquanztheorie geführt. Aber auch bei deren Anwendung sind noch zusätzliche "Filter" erforderlich, um eine sachgerechte Eingrenzung der Haftung zu erreichen, nämlich Zurechnungs- oder Rechtswidrigkeitszusammenhang und Schutzzweck der Norm. Sinn dieser Kriterien ist es, eine unerwünschte Ausuferung der Haftung zu vermeiden, weil die Haftung nur Nachteile aus dem Bereich der Gefahren erfassen soll, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen bzw. die verletzte Pflicht übernommen worden ist. Zur dogmatischen Erfassung dieser Kriterien will ich hier nichts sagen, sondern mich darauf beschränken, dass sie bei der praktischen Handhabung nicht immer scharf zu unterscheiden sind und ineinandergreifen können. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung des Senats.
Kurz vor meinem Eintritt in den Senat hat dieser mit dem sog. Schweinefall den Schutzzweck des § 7 StVG klargestellt. Hier hatte ein Unfall durch den damit verbundenen Lärm Panik in einem ca. 50 m entfernten Schweinestall verursacht, mit der Folge, dass mehrere Tiere zu Tode kamen und ein beträchtlicher Schaden entstand. Gegenüber dem OLG, das der Klage dem Grunde nach stattgegeben hatte, hat der Senat eine Haftung aus § 7 StVG verneint. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Schaden nur dann "bei dem Betrieb" eines Kfz entstanden, wenn sich die vom Kfz als solchem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt habe. Ob dies der Fall sei, müsse in einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. Dabei sei im Hinblick auf den weiten Schutzzweck des § 7 StVG eine weite Auslegung geboten, weil die Gefahren durch Kraftfahrzeuge im Verkehr immer größer würden. Deshalb sei die weite Ausdehnung der Gefährdungshaftung gleichsam der Preis für die Inkaufnahme dieses ständig zunehmenden Gefahrenpotentials. Andererseits ergäben sich aus dem Schutzzweck des § 7 StVG auch Grenzen der Haftung, insbesondere dann, wenn sich bei dem Schaden ein gegenüber der Betriebsgefahr eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht habe. Das sei hier der Fall, weil sich in erster Linie ein vom Kläger selbst geschaffenes Risiko verwirklicht habe. Ähnlich wie in dem bereits vom Reichsgericht mit gleichem Ergebnis entschiedenen Silberfuchsfall habe nämlich der Kläger die Schweine unter Bedingungen gehalten, die sie für Panikreaktionen besonders anfällig mache. Weil ich an der Beratung nicht teilgenommen habe, weiß ich nicht, wo der Senat die Kenntnisse von den Folgen moderner Intensivzucht hergenommen hat, kann aber aufgrund meiner späteren Erfahrungen nicht daran zweifeln, dass die erforderliche Sachkunde vorhanden war.
2. Sachschaden
a) Reparaturkosten – 130 %-Grenze
Diese Sachkunde hat mich denn auch sehr beeindruckt, als ich gleich nach den Gerichtsferien am 15.10.1991 an zwei grundlegenden Urteilen zur Kfz-Reparatur mitgewirkt habe – Stichworte: Reparatur oder Ersatzbeschaffung sowie die 130 % Grenze bei den Reparaturkosten. Jetzt ging es also um die Höhe des Schadens, um deren genaue Erfassung sich der Senat in zahllosen Entscheidungen bemüht hat.
Die in Band 115 der amtlichen Sammlung abgedruckten Urteile sind von großer Bedeutung für die Entwicklung des Kfz-Schadensersatzes. Freilich war nicht alles neu (wenn auch für mich) und der Senat konnte in vielen Punkten an seine bisherige Rechtsprechung anknüpfen. Aber diese Urteile zeigen exemplarisch, was der Senat den gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz abgewonnen hat, insbesondere der Regelung in § 249 BGB, die denn auch als "Magna Charta" des Schadensersatzes bezeichnet werden kann. In beiden Urteilen hat der Senat erneut die Gelegenheit ergriffen, die eher knappe Regelung des Schadensersatzes im Gesetz durch die Entwicklung zusätzlicher Kriterien anzureichern und damit die Schadensabwicklung in der Praxis zu erleichtern.
Beim ersten Urteil – VI ZR 314/90 – war der Fall nicht alltäglich und es ging auch um eine Menge Geld. Bei dem Unfall hatte ein Opel Manta bei einer Vorfahrtverletzung den Porsche 911 Turbo Coupé des Klägers beschädigt, der ihn für mehr als 93.000 DM reparieren ließ und daneben eine Wertminderung von 5.000 DM geltend machte. Für die Reparaturdauer von mehr als sechs Wochen hatte der Kläger einen Mercedes 300 E für ca. 20.500 DM gemietet und verlangte noch Nutzungsausfall für weitere 12 Tage in Höhe von 1.680 DM. In den ...