Schon hieraus wird ersichtlich, dass nicht nur der Gesetzgeber Einfluss auf die Rechtsprechung des Senats hat, sondern dass der Senat auch den Gesetzgeber beeinflusst hat. Das wurde ganz deutlich im Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Schadensersatzrechts im Jahr 2002. Hier haben nicht nur die üblichen Anhörungen im Justizministerium stattgefunden, sondern es gab viele sozusagen bilaterale Gespräche und der zuständige Referent kam sogar an einem Wochenende mit seinen Mitarbeitern nach Karlsruhe, um mit den anwesenden Senatsmitgliedern die kritischen Punkte der Novellierung zu erörtern. Ich will mich hier auf die für das Verkehrsrecht besonders wichtigen Punkte beschränken, zunächst beim materiellen Schaden.
1. § 249 BGB – Umsatzsteuer
Ein wesentlicher "Knackpunkt" war die Änderung des § 249 BGB dahin, dass bei der Beschädigung einer Sache der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur dann einschließt, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Diese Änderung ist im Gesetzgebungsverfahren besonders intensiv diskutiert worden, weil sie eine Einschränkung der fiktiven Schadensabrechnung bedeutet und damit in gewisser Weise in die Dispositionsfreiheit des Geschädigten eingreift. Andererseits war diese Änderung eine wesentliche Abschwächung gegenüber dem Entwurf aus der vorangegangenen Legislaturperiode und den fortgesetzten Bestrebungen, die Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung gänzlich auszuschließen. Das wurde deshalb erwogen, um Überkompensationen zu vermeiden und entsprechend der ausdrücklich erklärten Absicht des Gesetzgebers den Personenschaden gegenüber dem Sachschaden zu begünstigen. Von einer solch einschneidenden Änderung hat der Gesetzgeber dann aber doch Abstand genommen und zwar mit Rücksicht auf die langjährige und bis ins Einzelne ausdifferenzierte Rechtsprechung sowie die Vertrautheit der Verkehrskreise mit dem derzeitigen System der Schadensabwicklung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten. Damit haben wir uns zufriedengegeben, zumal wir in persönlichen Gesprächen den Eindruck gewonnen haben, dass eine weitere Abschwächung nicht zu erreichen sein werde. Es war schon ein großer Erfolg, dass der Gesetzgeber – der übrigens in der Begründung des Referentenentwurfs ausführlich auf die Bedenken des BGH eingegangen ist – die fiktive Schadensabrechnung mit der genannten Ausnahme bestehen ließ. Das ist zweifellos eine deutsche Spezialität, die im Ausland viel Staunen hervorruft, aber sich nach unserem Verständnis aus der Regelung in § 249 BGB als der magna charta des Schadensrechts ergibt.
2. § 828 BGB – Heraufsetzung des deliktsfähigen Alters
Weniger kritisch war ein weiterer Schwerpunkt der Reform, nämlich die Heraufsetzung des deliktsfähigen Alters in § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB auf zehn Jahre. Diese Neuregelung trägt wesentlich zum Schutz der jüngsten und besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer bei, wobei sie nicht unterscheidet, ob das Kind Opfer oder "Täter" eines Unfalls ist, weil das oft vom Zufall abhängt. Insoweit schützt vor dem Risiko, durch einen nicht Verantwortlichen geschädigt zu werden, nur der Abschluss einer Versicherung, worauf der Senat in seiner Rechtsprechung zu Unfällen mit Kinderbeteiligung mehrfach hingewiesen hat. Die Heraufsetzung des Deliktsalters wird für den motorisierten Verkehr durch eine Änderung von § 7 Abs. 2 StVG und von § 1 Abs. 2 HPflG ergänzt.
3. § 839a BGB – Sachverständigenhaftung
Für den Sachverständigen, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt, ist durch § 839a BGB ein neuer Haftungstatbestand geschaffen worden. Die Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit war im Gesetzgebungsverfahren umstritten, erschien dem Senat jedoch sachgerecht – nicht zuletzt deshalb, weil es bei einer Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit noch schwerer würde, einen Sachverständigen für die Begutachtung zu gewinnen. Welche Bedeutung die Vorschrift in der Praxis erlangt hat, kann ich Ihnen leider nicht sagen.
4. § 7 StVG – Haftungsausschluss bei höherer Gewalt
Bedeutsamer ist sicherlich die Novellierung von § 7 StVG. Die Änderung von Abs. 2, wonach die Ersatzpflicht ausgeschlossen ist, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird, ersetzt die bisherige Vorschrift, wonach sich der Halter des Kfz auf ein unabwendbares Ereignis berufen konnte, nach der bisherigen Rechtsprechung also dann, wenn auch ein "Idealfahrer", also ein Fahrer von höchster Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht den Unfall nicht hätte vermeiden können. Auch wenn der Nachweis idealen Fahrverhaltens in der Praxis nur selten gelungen ist, stellt die Neuregelung zweifellos eine Erweiterung der Halterhaftung dar, die auch angebracht war, weil die Entlastung durch ein unabwendbares Ereignis stets einen Fremdkörper im System der Gefährdungshaftung dargestellt hat.
5. Haftung für Mitfahrer
Die Neufassung von § 8a StVG schließt die bisherige Haftungslücke für unentgeltlich und nicht geschäftsmäßig beförderte Mitfahrer, die der internationalen Rechtsentwicklung nicht meh...