Festgelegt hat er sich aber bei der Arzthaftung und er hat mit deren Kodifizierung durch das Patientenrechtegesetz dem Jubilar ein bleibendes Denkmal gesetzt. Bei den vielen Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren, an denen ich zur Vorbereitung des Gesetzes teilgenommen habe, wurde mir immer wieder bewusst, was Herr Steffen für das Arzthaftungsrecht geleistet hat und dass dieses Haftungssystem in wesentlichen Punkten auf ihn zurückgeht – schon das ein großartiges Lebenswerk neben seinen vielen anderen Beiträgen zur Fortentwicklung des Rechts. Ob die Arzthaftung sein Lieblingsthema war, weiß ich nicht – hier liegt jedenfalls ein Schwerpunkt des VI. Zivilsenats und dieser hat mit seiner von Herrn Steffen inspirierten Rechtsprechung nicht nur Maßstäbe für die ärztliche Aufklärungspflicht und den Standard ärztlicher Behandlung gesetzt, sondern auch immer wieder Grenzfragen der menschlichen Existenz berührt – etwa bei der problematischen Frage, ob in den Fällen, in denen es durch einen Fehler des Arztes zur Geburt eines Kindes kommt, die durch seine Tätigkeit vermieden werden sollte, vom Arzt Schadensersatz verlangt werden kann.
Das hat der Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht, u.a. in einer Entscheidung von 1980, an der ich nur eines bedaure, nämlich die Seitenüberschrift in der Amtlichen Sammlung "Kind als Schaden?". Auch wenn dieses Schlagwort mit einem Fragezeichen versehen war, verstärkte es doch die Kritik an dieser Rechtsprechung, die in einem Urteil des BVerfG vom Mai 1993 ihren Höhepunkt fand. Das BVerfG forderte in einem Normenkontrollverfahren zu der durch die Wiedervereinigung veranlassten Neuregelung des § 218 StGB eine Überprüfung der zivilrechtlichen Rechtsprechung, weil das Dasein eines Kindes "von Verfassungs wegen" keine Schadensquelle sein könne. Dem VI. Zivilsenat lag damals gerade ein Fall vor, in dem es um fehlerhafte genetische Beratung ging. Die Eltern eines schwer behinderten Kindes hatten sich vor Zeugung eines zweiten Kindes in einer Universitätsklinik untersuchen lassen, um eine genetische Belastung auszuschließen. Dabei wurde leider etwas Wichtiges übersehen, die beruhigende Auskunft erwies sich als falsch und das zweite Kind wurde mit den gleichen Behinderungen wie das erste geboren. Die Revision gegen das Berufungsurteil, das – völlig zu Recht – Schadensersatz zuerkannt hatte, nahm der Senat zum Anlass, wie gefordert seine Rechtsprechung zu überprüfen. Nach gründlicher Überprüfung hat er im Urteil vom November 1993 an dieser festgehalten, weil sich die Bewertung des Unterhaltsaufwands als Vermögensschaden aus einer vertrags- und schadensrechtlichen Betrachtungsweise ergebe. Bei den vom BVerfG beanstandeten Begriffen Schaden und Schadensersatz handele es sich um juristische Kategorien, die bei sachlicher und emotionsfreier Betrachtung kein Unwerturteil enthielten, sondern sich aus einem Vergleich der tatsächlichen Vermögenslage mit derjenigen ergebe, die ohne das fragliche Ereignis bestanden habe. Die Begründung des Urteils hat der neuerlichen Prüfung durch das BVerfG standgehalten. Ich war übrigens Berichterstatterin und hatte später noch Gelegenheit, diese Rechtsprechung in einem Vortrag vor dem Nationalen Ethikrat zu erläutern. Hans-Jochen Vogel saß mit strengem Blick in der ersten Reihe, sagte mir aber nach dem Vortrag, dass er diese Rechtsprechung bisher missbilligt habe und das nun revidieren müsse. Damit konnte ich zufrieden sein.
Zum Schluss möchte ich noch ein wichtiges Urteil des Senats aus dem Jahr 1983 erwähnen, das unter dem Schlagwort "wrongful life" bekannt ist. Dort hatte ein Kind, das infolge einer nicht erkannten Rötelninfektion der Mutter mit schwersten Behinderungen geboren war, einen eigenen Schadensersatzanspruch geltend gemacht, weil es besser nicht geboren wäre. Einen solchen Anspruch "auf Nichtexistenz" hat der Senat abgelehnt, weil zum einen dem Beratungsvertrag mit der Mutter die erforderliche Schutzwirkung für Dritte – nämlich das ungeborene Kind – nicht zu entnehmen sei, vor allem aber, weil in diesem Bereich eine rechtliche Regelung der Verantwortung für weitgehend schicksalhafte und naturbedingte Verläufe nicht mehr sinnvoll und tragbar sei. Hier stoße das Recht an seine Grenzen. Der Mensch habe nämlich grundsätzlich sein Leben so hinzunehmen, wie es von der Natur gestaltet sei, so dass ihm kein Anspruch auf seine Verhütung oder Vernichtung durch andere zustehe. Das hat der Senat mit solcher Entschiedenheit formuliert, dass über viele Jahre kein derartiger Anspruch mehr an ihn herangetragen wurde – bis zum Jahr 2019. In diesem neuen Fall hatte das OLG München dem Sohn eines inzwischen Verstorbenen ein Schmerzensgeld von 40.000 EUR zuerkannt, weil sein dementer und schwer kranker Vater jahrelang mit künstlicher Ernährung am Leben gehalten worden war, ohne dass der Hausarzt mit dem Betreuer deren Beendigung – und damit auch die Beendigung des Lebens – erörtert hatte. Die vom OLG im Leitsatz ausgesprochene Abgrenzung zu dem "wrongf...