OWiG § 29a Abs. 5 § 87 Abs. 3 S. 2; StPO § 436 § 434; GVG § 121
Leitsatz
1. An der Außendivergenz, speziell der Identität der Rechtsfrage, kann es fehlen, wenn das vorlegende Gericht mit einer besonderen, bei den divergierenden Entscheidungen indes fehlenden Prozesslage befasst ist, die auf die rechtliche Beurteilung wesentlichen Einfluss hat.
2. Das statthafte Rechtsmittel gegen einen im ersten Rechtsgang ergangenen amtsgerichtlichen Beschluss im selbstständigen Einziehungsverfahren nach dem OWiG ist die sofortige Beschwerde, über die das Landgericht zu befinden hat. Gegen ein in diesem Rechtsgang verkündetes Urteil ist hingegen die Rechtsbeschwerde statthaft.
3. Die Frage, welches Rechtsmittel gegen einen Beschluss im selbstständigen Einziehungsverfahren nach einer teilweisen Urteilsaufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht gegeben ist, bleibt offen.
BGH, Beschl. v. 18.6.2020 – 1 StR 95/20
Sachverhalt
Der Einziehungsbetroffene ist verantwortlicher Geldspielgeräteaufsteller in einer Spielhalle, wo er sechs Geldspielgeräte trotz abgelaufener Zulassung betrieb. Durch das unerlaubte fahrlässige Weiterbetreiben der Spielgeräte erzielte er Einnahmen i. H.v. 20.436,80 EUR. Das eingeleitete Bußgeldverfahren stellte die Stadtverwaltung gem. § 47 OWiG ein. Zugleich ordnete sie mit Bescheid die selbstständige Einziehung der Taterträge an (§ 29a Abs. 5 OWiG). Nach Einspruch ordnete das AG daraufhin die "Einziehung eines Geldbetrages" von 20.436,80 EUR an. Auf die Rechtsbeschwerde des Einziehungsbetroffenen hob das OLG dieses Urteil mit der Begründung auf, das AG habe bei der Bemessung der Taterträge Aufwendungen nicht in Abzug gebracht, und verwies die Sache zurück. Das AG teilte den Beteiligten mit, dass es durch Beschluss zu entscheiden beabsichtige (§ 72 OWiG). Nachdem die Beteiligten sich einverstanden erklärt hatten, setzte das AG durch Beschluss den einzuziehenden Betrag auf 10.000 EUR fest. Hiergegen legte der Einziehungsbetroffene erneut Rechtsbeschwerde ein, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das OLG hält die Rechtsbeschwerde für statthaft und möchte über diese entscheiden. Hieran sieht es sich durch die Rspr. des BGH und der OLG Köln, Zweibrücken und Düsseldorf gehindert, die stattdessen die sofortige Beschwerde für statthaft halten. Das OLG legt dem BGH folgende Rechtsfrage zur Beantwortung vor: "Ist gegen den Beschluss des AG, mit dem nach Einspruch des Einziehungsbetroffenen gegen einen selbstständigen Einziehungsbescheid gem. § 29 a Abs. 5 OWiG ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde, die Rechtsbeschwerde oder die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel?"
Der BGH gab die Sache an das OLG Karlsruhe zurück.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG i. V. mit § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG sind nicht gegeben."
Das OLG Karlsruhe ist durch die Rspr. des BGH und anderer OLG nicht gehindert, über das Rechtsmittel des Einziehungsbetroffenen wie beabsichtigt zu entscheiden. Der vorlegende Bußgeldsenat ist als Rechtsbeschwerdegericht mit einer besonderen Prozesslage befasst, die auf die rechtliche Beurteilung wesentlichen Einfluss hat. Es fehlt daher an einer auf dieselbe Rechtsfrage bezogenen Abweichung (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 24.4.1986 – 2 StR 565/85, BGHSt 34, 71 [74 ff.] = NJW 1986, 1883 = NStZ 1986, 409; Franke, in: LR-StPO, 26. Aufl., § 121 GVG Rn 64 a; Feilcke, in: KK-StPO, 8. Aufl., § 121 GVG Rn 34; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 121 Rn 21, 26).
1. Für eine (Außen-)Divergenz von vornherein unmaßgeblich sind jene obergerichtlichen Entscheidungen, die im selbstständigen Einziehungsverfahren nach dem OWiG die Rechtsbeschwerde gem. § 79 OWiG für das statthafte Rechtsmittel gegen amtsgerichtliche Beschlüsse halten (OLG Stuttgart, wistra 2009, 167 f. und Beschl. v. 20.5.2011 – 1 Ss 193/11, unv.; vgl. ferner OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.6.2016 – 1 (8) SsBs 269/15 – AK 99/15). Denn das vorlegende Gericht möchte insb. gestützt auf §§ 71 Abs. 1, 72, 87 Abs. 3 S. 2 OWiG zum selben Ergebnis gelangen (vgl. allgemein dazu BGH, Beschl. v. 14.12.1999 – 5 AR (VS) 2/99 Rn 6 und v. 23.2.1977 – IV ARZ (Vz) 2/77 Rn 6).
2. a) Nach der (…) Rspr. des BGH (Beschl. v. 29.4.1983 – 2 ARs 118/83, BGHSt 31, 361 = NJW 1983, 687 = NStZ 1983, 417 zum gleichgeregelten selbstständigen Rückerstattungsverfahren des WiStG a.F.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.3.1993 – 2 ARs 43/93, BGHSt 39, 162 = NJW 1993, 1808 = NStZ 1993, 394) und anderer OLG (OLG Köln, wistra 1993, 39; OLG Zweibrücken, MDR 1994, 404; vgl. ferner OLG Düsseldorf, NVwZ 1996, 934 [935]; OLG Hamburg, StraFo 2011, 57 bei einem Vorgehen nach § 82 Abs. 2 § 47 Abs. 2 OWiG) ist das statthafte Rechtsmittel gegen einen amtsgerichtlichen Beschluss im selbstständigen Einziehungsverfahren nach dem OWiG die sofortige Beschwerde, über die das LG (Kammer für Bußgeldsachen, § 46 Abs. 7 OWiG) zu befinden hat.
Dies folgt aus § 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 436 Sbs. 2, 434 Abs. 2 StPO. Der selbstständige Einziehungsbescheid steht nur hins...